Die Haltung meines Vaters

  • Hans Coppi
  • Lesedauer: 2 Min.

Ende der 1970er Jahre schickte mir ein Freund den ersten Band der »Ästhetik des Widerstands«. Schon auf den ersten Seiten begegnet mir Hans Coppi als literarische Figur, eine für mich überraschende Entdeckung. Meinen am 22. Dezember 1942 hingerichteten Vater kenne ich aus Erzählungen seiner Freunde und meiner Großeltern oder inzwischen aus eigenen Recherchen. In dem Roman von Peter Weiss haben die zahlreichen authentischen Figuren nur entlegen mit den Personen zu tun, deren Namen sie tragen. In ihnen strömt vielmehr zusammen, was von anderen kommt, hielt der Autor in seinem Notizbuch fest. Dann bemerkte ich jedoch, dass die Hans-Coppi-Figur durchaus die Haltung meines Vaters spiegelt. Die Katastrophe der Niederlage von 1933 lähmte ihn nicht, sondern bestärkte ihn in seinen antifaschistischen Aktivitäten. Kaum volljährig kannten er und viele Mitstreiter bereits Illegalität, Gewalt in den frühen Konzentrationslagern und in anderen Zwingburgen. Kaum entlassen stärkten sie im Kreis von Gleichgesinnten den nazikritischen Zusammenhalt mit Ausdauer, Zuversicht und Lebenskraft, auch durch Aneignung von Kunst und Literatur. Sie nutzten Spielräume für eigenverantwortliches Handeln in Diskussionen und Aktionen, immer wieder beschwert von der Nähe der tödlichen Gefahr.

In diesem Jahr nähern sich junge Leute mit ihren Fragen und aus unterschiedlichen Perspektiven der »Ästhetik des Widerstands«. Sie entdecken die literarischen Figuren und deren Ringen um emanzipative Ansätze in der widerspruchsvollen Geschichte der Arbeiterbewegung und im Widerstand. Historische Erkenntnis zielt auf Veränderung, auf solidarische Teilhabe und Mitgestaltung in einer Gesellschaft, deren multikulturelle Errungenschaft zunehmend in Frage gestellt und bekämpft wird. Sich mit der bedrohlichen Rechtsentwicklung auseinanderzusetzen, sich gegen Verbreitung von Hass, völkischem, rassistischem und nationalistischem Gedankengut zu wehren - auch dafür lohnt es sich, die »Die Ästhetik des Widerstands« zu lesen. Keine einfache, aber eine bemerkenswert anregende Lektüre.

Hans Coppi ist Vorsitzender der Berliner VVN-BdA.

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