Der Kampf für eine Kinderstation

Rund 1000 Menschen demonstrierten auch für Rückkehr von Gynäkologie und Geburtshilfe zum Krankenhaus Wolgast

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Was können wir unseren im Land Regierenden noch glauben? So mögen sich nicht wenige Menschen in Mecklenburg-Vorpommern gefragt haben, als sie am 3. November 2015 durch die Medien erfuhren: Die Kinderstation und auch die geburtshilfliche Abteilung und die Gynäkologie des Kreiskrankenhauses Wolgast werden aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen.

Grund für die Zweifel an der Politik: Erst im April des selben Jahres hatte Sozialministerin Birgit Hesse (SPD) gegenüber dem NDR erklärt, die Klinik in Wolgast bleibe erhalten, einschließlich Geburtshilfe und Kinderabteilung. An diese Zusage erinnerte der sozialpolitische Sprecher der LINKEN, Torsten Koplin, im Dezember 2015 während einer Sitzung des Landtages.

Das Parlament behandelte in jener Sitzung unter anderem die Ankündigung Birgit Hesses die Stationen dicht zu machen. Die Grünen hatten beantragt, der Landtag möge diese Absicht verwerfen, und die Abgeordnete Silke Gajek begründete: Der Weg zum Klinikum Anklam, wo »zum Ausgleich« eine Kinderstation eingerichtet werde, sei zu weit. Und: Jährlich nähmen etwa 400 schwangere Frauen und über 1500 stationär behandlungsbedürftige Kinder die medizinische Versorgung des Krankenhauses in Wolgast in Anspruch.

Es klang schon etwas merkwürdig, wie Ministerin Hesse darauf und auf den in der Bevölkerung laut gewordenen Widerstand gegen die Schließung vor dem Plenum reagierte: Solche Entscheidungen »ziehen immer Proteste nach sich«. Das liege »in der Natur der der Sache«.

Die SPD/CDU-Regierungskoalition lehnte den Grünen-Antrag ab, Anfang 2016 kam das Aus für die Stationen in Wolgast. Der Protest aber wuchs, war jetzt am Jahrestag der Schließungsbekanntgabe erneut sichtbar, als rund 1000 Frauen, Männer und Kinder in Wolgast auf die Straße gingen und für die Rückkehr der Stationen demonstrierten.

Die Bürgerinitiative, die sich dafür stark macht, hat nun zum Untermauern ihrer Forderung ein 2015 verfasstes Gutachten aus dem Sozialministerium aus dem Hut gezogen und zitiert aus dem Papier: Eine Kinderstation in einem Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung könne nicht geschlossen werden. Zudem gebe es in der Region Wolgast und Usedom genügend Kinder. Die Initiative will dieses Gutachten nun allen Landtagsfraktionen vorstellen.

Die LINKE im Parlament hat inzwischen beantragt, die Landesregierung möge auf der ersten Sitzung des Wirtschaftsausschusses über »Stand und Zukunft« der medizinischen Versorgung im Raum Vorpommern-Greifswald informieren. Zwar sei laut Medienberichten an einer Klinik in Kölpin auf Usedom eine Notfallambulanz für Kinder eingerichtet worden, auch angesichts der vielen Urlauber-Familien auf der Insel, aber: Das reiche nicht aus, um den Wegfall der kinderärztlichen und geburtshilflichen Stationen in Wolgast auszugleichen.

Von den Regierungsfraktionen, so heißt es aus den Reihen der Protestierenden, seien bei der Demo in Wolgast nur Politiker der CDU gewesen. Auch Vertreter der Gruppe »Frieden, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit« (FFDG), der Kritiker eine fremdenfeindliche und antisemitische Haltung vorwerfen, sollen vor Ort gewesen sein. Nicht aber der als »Kümmerer« eingesetzte Parlamentarische Staatssekretär für Vorpommern, der Landtagsabgeordnete Patrick Dahlemann. Der »plauscht lieber im warmen Fernsehstudio«, moniert ein Bürger.

Tatsächlich weilte der SPD-Mann beim NDR und kündigte an: Ende November oder Anfang Dezember werde es ein Gespräch mit der Bürgerinitiative geben. Neben Ministerpräsident Sellering werde Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) dabei sein. Er betreut seit der Kabinettsneubildung auch das Gesundheitsressort. Wohl passend, spielt doch das Wirtschaftliche, wie Wolgast zeigt, bei der Gesundheitsversorgung der Menschen in Mecklenburg-Vorpommern offenbar eine sehr große Rolle.

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