Sein Ungeist steht neu auf

Das Theater am Kurfürstendamm zeigt die Hitler-Satire »Er ist wieder da«

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Zugegeben, wohl war einem nicht im Theater am Kurfürstendamm: Gastspiel des Altonaer Theaters mit »Er ist wieder da«. Hitler als Medienclown? Nach Timur Vermes’ Romanbestseller von 2011 und dessen hochfrequentierter Verfilmung aus dem vergangenen Jahr nun also die unvermeidliche Bühnenadaption. Eingangs konnte Intendant Martin Wölffer die Spannung dämpfen: Taggenau vor 95 Jahren wurde das abrissbedrohte Haus eingeweiht, sah die Größe des Geschäfts auf der Szene, von Rühmann bis Riemann. So viel ist sicher nach der Vorstellung: In diese Schar reiht sich Kristian Bader als furioser Protagonist des Abends ein. Eng zum Roman hat Regisseur Axel Schneider seine eigene Fassung angelegt, um Figuren verschlankt und auf wesentliche Passagen begrenzt. Zwischen Faszination und Irritation folgt man dem Geschehen.

Da wacht einer auf, ruft nach Bormann und findet alles außer Kontrolle - schließlich sei man im Krieg. Im Zeitungskiosk sucht er den »Völkischen Beobachter«, wird vom Verkäufer für einen Schauspieler gehalten: Er gebe die Rolle des Gröfaz besser als Bruno Ganz in dem Film »Der Untergang«! Im Kiosk darf er übernachten. Seh’ ich aus wie ein Verbrecher, fragt er. Nein, wie Adolf Hitler, antwortet der Verkäufer, will ihn einem vom Fernsehen vorstellen. Dabei setzt sich der Irrtum fort und führt letztlich zum Engagement beim quotengequälten Privatsender »Flashback«. Alle bewundern, wie der, der sich Adolf Hitler nennt, seine Rolle »durchzieht« - der jedoch sagt, was er immer schon gesagt hat und was oft irrigerweise ins Konzept passt. Seine nach Benzin stinkende Uniform hat er beim Türken blitz-reinigen lassen.

Hitler darf auftreten, raunzt über permanente Kochsendungen im Fernsehen, sieht die soziale Frage ungelöst, improvisiert über sein Polenmanöver, redet sich in Rage über die Revolution, die Deutschland brauche. Und es passiert: In »marioverbartheten« Zeiten empfindet man ihn beim Sender als etwas Neues. Aber das Thema Juden sei nicht witzig, bläut man ihm ein, daran wird er sich schlau halten. Hitler steigt auf, erhält Arbeitsplatz und Sekretärin, wählt als E-Mail-Adresse »neue reichskanzlei«. Im Quotenrausch stößt sich niemand daran, dass sein Name im Internet gesperrt ist, er ausschaut, wie er heißt, und seine »Führersache« nicht Darstellung, sondern Wirklichkeit ist. Er sei Staats-, nicht Fremdenführer, motzt er gegen Ausländer.

Die Erfolgsspirale dreht sich: Hitler erhält Klicks ohne Ende auf Youtube, kehrt bisweilen gefährlich seine menschliche Seite hervor. Millionen bejubeln den Nazi-Komiker, »Bild« scheitert beim Interview, nicht beim Deal. Für ein NPD-Special gewinnt er den Adolf-Grimme-Preis, die Sendermannschaft grüßt den »Führer« schon mit dem »deutschen Gruß«. So wandeln sich Missverständnisse zur fatalen Erfolgsgefolgschaft. Auf die Klage einer jüdischen Oma sagt er Wahres: Die Deutschen haben mich damals wissend gewählt. Das Ende: Sein Ungeist steht neu auf. In Diktion und Gestik perfekt wie das Original gibt ihn Kristian Bader, neben ihm hat keiner eine Chance. Belacht hat man ihn wohl, beklommen aber geht man nach Hause.

Vorstellungen bis zum 20. November täglich, danach vom 5. bis 22. Januar

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