Zetkin siegt gegen Finanzminister

Sachsen: Ressortchef forderte vergeblich Straßenumbenennung an Pirnas neuem Finanzamt

  • Hendrik Lasch, Pirna
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Umzug der Finanzämter von Pirna und Freital an ihren neuen Dienstsitz am Rand der Altstadt von Pirna wird eine aufwendige Angelegenheit. 4000 Kilometer Akten und 520 Tische sind in den nächsten Tagen zu verfrachten, 80 000 neue Steuernummern von Hand in die Unterlagen einzutragen. Wäre es nach Georg Unland gegangen, hätte freilich noch weiterer Aufwand betrieben werden müssen. Der sächsische Finanzminister hat über Monate alles daran gesetzt, der Behörde auch eine neue Anschrift zu verpassen - ist aber völlig überraschend am Stadtrat gescheitert.

Straßennamen sind eigentlich keine Angelegenheit, um die sich Minister kümmern. Anders im Fall des Finanzamtes. Das liegt in einer Straße, die nach Clara Zetkin benannt ist: 1857 im sächsischen Wiederau geboren, Friedensaktivistin, Frauenrechtlerin und Sozialistin. Dem CDU-Mann Unland war die kämpferische, rote Frau ein Dorn im Auge. Beim Richtfest vor einigen Monaten äußerte er seinen Wunsch nach Umbenennung der Straße - mit grotesker Begründung: Der Name Clara Zetkin animiere nicht zum Zahlen von Steuern.

Das Ansinnen trug dem ohnehin als hüftsteifer Zahlenfetischist geltenden Politiker viel Hohn ein. In Leserbriefen wurde er als Kleingeist gescholten; die sächsischen Jusos schlugen vor, die Anschrift von Unlands Dienstsitz in Dresden zu ändern und den dortigen Carolaplatz neu zu benennen - der Name einer sächsischen Königin rege schließlich ebenfalls nicht zur Steuerzahlung an. Die Linksabgeordnete Sarah Buddeberg wiederum forderte Unland in Anspielung auf so genannte Steuerparadiese auf, für die Pirnaer Behörde lieber Namen wie »An den Cayman-Inseln« oder »Panama-Platz« zu wählen.

Derweil sammelten Spötter im Internet unter dem Hashtag »behoerdenaufrotenstraßen« andere Anschriften sächsischer Ämter, die an linke Politiker erinnern. So liegt das Finanzamt Zschopau in der August-Bebel-Straße und eines der beiden Leipziger Ämter am Wilhelm-Liebknecht-Platz. Die Polizeidirektion Leipzig befindet sich in der Dimitroffstraße, das Amtsgericht Döbeln trägt den Namen Rosa Luxemburgs im Straßennamen. Und auch eine Ernst-Thälmann-Straße findet sich in der Liste - viel Arbeit also für Unland und womöglich ähnlich gestimmte Kollegen. Zunächst hatte der Finanzminister freilich »nur« Zetkin auf dem Kieker - wobei schnell klar wurde, dass es im formal für Straßennamen zuständigen Stadtrat Pirna keine Mehrheit für eine komplette Umbenennung der Straße geben würde. Im Finanzressort versuchte man es danach mit einem Trick. Der für die Errichtung des 24,7 Millionen Euro teuren Gebäudes verantwortliche »Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement« beantragte, nur den unmittelbaren Vorplatz des Finanzamts als »Waisenhausplatz« zu benennen. Zu den drei historischen Gebäuden, die in den Neubau integriert wurden, gehört neben einem historischen Wirtshaus und einem Vorwerk auch eine solche soziale Einrichtung. An dem neuen »Platz«, der kaum größer ist als ein Kleingarten, wäre nur das Finanzamt ansässig gewesen.

Doch der Minister, wegen seiner Vorgehensweise bereits als »Baron Unland« tituliert, blitzte ab. Zwar zitierte Pirnas parteiloser Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke bei der Einweihung des Finanzamtes noch Goethes Faust: Namen seien »am Ende Schall und Rauch«. Einen Tag später stimmten im Stadtrat aber neben Hanke im Wesentlichen nur die Abgeordneten von CDU und NPD für eine neue Benennung des Platzes; deren elf Stimmen standen 16 aus den Reihen von LINKE, Grünen, SPD sowie mehrerer parteiloser Stadträte gegenüber, die den Antrag ablehnten.

Die Posse um Clara Zetkin und das Pirnaer Finanzamt hat damit ein Ende - zumindest vorerst. Ein wenig Skepsis bleibt. LINKE-Stadträtin Ina Leonhardt sinniert auf Facebook bereits, »welche Kniffe und Tricks sich Herr Unland nun einfallen lässt«.

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