Assange hofft auf Freiheit nach Verhör

  • Bengt Arvidsson, Stockholm
  • Lesedauer: 3 Min.

Julian Assange ist wahrlich eine schillernde Person, umstritten auf vielen Ebenen. Zum einen sind da vermeintlich dunkle, sechs Jahre zurückliegende Vergewaltigungsvorwürfe aus Schweden. Dazu wird er am Montag in seinem Zufluchtsort, der Londoner Botschaft Ecuadors, von einem ecuadorianischen Staatsanwalt unter Anwesenheit schwedischer Amtskollegen verhört.

»Assange begrüßt das Verhör in der Botschaft. Das haben wir schon lange gewollt. Leider hat Schwedens Staatsanwaltschaft sich dem jahrelang verweigert«, sagt Assanges Anwalt Per Samuelsson dieser Zeitung. Das Verhör könne klären, ob der Verdacht fallengelassen wird und Assange die rund um die Uhr bewachte Botschaft in London verlassen darf.

Internet abgeschaltet
Seit vier Jahren lebt der heute 45-jährige dort, eingeengt in einem Zimmer, das als Schlaf- und Arbeitsraum dient. Eine Solarlampe ist sein Sonnenersatz. Spazieren muss er auf einem Laufband. Nach Schweden will er angeblich nicht, weil er sich schuldig fühlen würde, sondern weil Stockholm ihm keine Nichtauslieferungsgarantie an die USA geben will.

Denn neben den Anschuldigungen ist da auch die ganz große Weltpolitik, die der Wikileaksgründer mit der Veröffentlichung geheimer Daten erst kürzlich wieder beeinflusst hat. Nach Jahren der Funkstille trugen seine Hillary Clinton-Enthüllungen zu Donald Trumps Wahlsieg bei. Er erboste damit viele seiner Freunde. Er habe nur Geltungsdrang und keine Moral, werfen sie ihm vor. Auch die Botschaft drehte ihm verärgert den Internetanschluss ab.

Mit einem Commodore fing alles an
Seine Liebe zur Konfrontation und der Welt der Computer entdeckte der 1971 im nördlichen Australien geborene Wikileaksgründer, als er mit 16 einen Commodore 64 bekam. Seine Hippie-Eltern arbeiteten bei einem Wandertheater und zogen bis zu seinem 14. Geburtstag 37 Mal um, was einen normalen Schulgang unmöglich machte. Assange wurde ganz im Sinne der Mutter, die ihn nicht vom Staat manipulieren lassen wollte, meist zuhause unterrichtet.

Vom unbedeutenden Hacker zum weltbekannten Enthüller wurde er 2007. Mit Wikileaks, wollte er die Welt verbessern. Er veröffentlichte unzählige geheime US-Dokumente aus den Kriegen in Afghanistan und dem Irak. Ein Video aus Bagdad machte ihn über Nacht weltberühmt. Darin ist zu sehen, wie elf Zivilisten aus einem US-Hubschrauber erschossen werden. Assanges Informant, der US-Soldat Bradley Manning, wurde dafür von einem US-Militärgericht zu 35 Jahren Haft verurteilt.

Legale Ausreise
Mit dem ihm eigenen Charisma scharte Assange plötzlich massenweise Anhänger um sich. Plötzlich lagen dem von Frauen lange Zeit kaum beachteten angeblich von der CIA gejagten Programmierer auch viele Aktivistinnen zu Füßen. So auch bei seiner Tour durch Schweden im Sommer 2010, die mit Vergewaltigungsanschuldigungen zweier bekennender Feministen endete.

Ein schwedischer Staatsanwalt ließ die sachlich dünne Vergewaltigungsanzeige im Sommer 2010 fallen. Assange reiste legal aus Schweden aus. Die Polizei hatte nicht versucht, ihn zu verhören.

Feministische Staatsanwältin
Dann rollte Staatsanwältin Marianne Ny den Fall wieder auf. Ny gilt in feministischen Fragen als radikal. Sie hatte gefordert, dass Männer, die von Frauen der Misshandlung beschuldigt werden, ohne rechtliche Prüfung inhaftiert werden müssten. Ny setzte die Verdachtsmomente gegen Assange auf »weniger grobe Vergewaltigung«, »sexuelle Nötigung« und »sexuelle Belästigung« und erließ einen internationalen Haftbefehl.

Wegen der Verjährung bleibt gegenwärtig noch der Verdacht auf »weniger grobe Vergewaltigung« bis 2020 bestehen. Dazu wird Assange am Montag unter Öffentlichkeitsausschluss verhört. Auch soll er eine DNA-Probe abgeben.

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