US-Botschaft in Afghanistan geschlossen

Schwerer Anschlag auf den Stützpunkt in Bagram

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 2 Min.

Eine »Vorsichtsmaßnahme« sei das, wiegelte das State Department am Samstagabend ab, und doch ist es ein ungewöhnlicher Schritt: Nach den Attacken auf das deutsche Konsulat in Masar-i-Scharif und den US-amerikanischen Stützpunkt Bagram in der Provinz Parwan wurde die Washingtoner Botschaft in Kabul, eine regelrechte Festung, am Wochenende geschlossen. »Vorübergehend«, wie es in der Erklärung hieß. Zuvor waren bei einem Selbstmordanschlag auf die etwa 40 Kilometer nördlich der Hauptstadt gelegene Lustwaffenbasis zwei US-Soldaten und zwei US- Vertragsarbeiter getötet worden. Weitere 17 Menschen seien verletzt worden, 16 davon US-Uniformierte sowie ein polnischer Soldat, wie Pentagon-Chef Ashton Carter mitteilte. Verantwortung übernahmen via Twitter die radikalislamischen Taliban. Wie ihr Sprecher Sabihullah Mudschahid erklärte, habe sich ein afghanischer Angestellter des Stützpunkts in der Nähe der Kantine in die Luft gesprengt.

Die Militärbasis Bagram ist der größte Stützpunkt der NATO-Truppen am Hindukusch, wo die Allianz nach Kriegsende 2014 im Rahmen der sogenannten Ausbildungsmission »Resolute Support« mit etwa 12 000 Soldaten im Einsatz ist. Auch die Bundeswehr ist beteiligt. Die afghanische Armee hat inzwischen eine Stärke von rund 350 000 Mann. Zugleich befindet sich in Bagram das Hauptquartier der US-Truppen im Land. Auf den Landebahnen der Basis können auch größte Militärflugzeuge landen. Afghanische und US-Sicherheitskräfte bewachen die Anlage gemeinsam. Das Gelände, auf dem Washington auch ein berüchtigtes Militärgefängnis unterhielt, ist durch Wachtürme, Kameras und ein Aufklärungsflugzeug gesichert. Taliban-Kämpfer hatten Bagram trotzdem wiederholt attackiert. So tötete ein Selbstmordattentäter im Dezember 2015 sechs US-Soldaten. Während eines Besuchs des damaligen US-Vizepräsidenten Richard Cheney im Februar 2007 kamen sogar 23 Menschen ums Leben. Seit dem Abzug der meisten internationalen Kampftruppen sind die islamistischen »Gotteskrieger« wieder zunehmend zu einer Bedrohung geworden. Laut NATO sollen sie rund 30 000 Männer unter Waffen haben.

Zur Zeit sind in Afghanistan noch knapp 10 000 US-Soldaten stationiert, die sich mehr und mehr wieder direkter am Kampf gegen die Taliban beteiligen. Bei einem Luftangriff in der nordafghanischen Provinz Kunduz wurden vor einigen Tagen nach offiziellen Angaben dabei auch 30 Zivilisten getötet, darunter Kinder und Frauen. Die USA haben in diesem Jahr bereits rund 700 Luftschläge gegen Stellungen der Taliban sowie der Terrormiliz »Islamischer Staat« geführt. Die Vereinten Nationen beklagten unlängst die anhaltend hohe Zahl von zivilen Opfern bei Gefechten in Afghanistan. 2562 getötete sowie 5835 verletzte Zivilisten in den ersten neun Monaten des Jahres liegen nur wenig unter dem »Rekordjahr« 2015. Zudem flüchten immer mehr Menschen vor dem Krieg. Bis zum 30. Oktober seien 411 327 Afghanen aus ihren Dörfern vertrieben worden, heißt es in einem aktuellen UN-Report. Kommentar Seite 4

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