Neue Härte gegen Bachmann

Pegida-Chef geht gegen städtisches Verbot der Versammlungsleitung vor

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Ruf von Dresden hat schon lange gelitten, der »Tag der deutschen Einheit« aber hat ihn endgültig ruiniert. Hunderte Pöbler, die höchste Vertreter des Staates aus nächster Nähe ungestört und unflätig beschimpfen konnten; Gäste des Festakts, die aus Sicherheitsgründen vor der Frauenkirche in Busse verfrachtet werden mussten - »da wurden alle Grenzen überschritten«, sagt Tilo Kießling von der Linksfraktion im Stadtrat.

Organisiert wurde der Eklat von der Pegida-Führung um Lutz Bachmann, die ihre Anhänger zu öffentlichen »Zigarettenpausen« am Rande der Einheitsfeiern aufgerufen hatte - und dafür nun Konsequenzen zu tragen hat: Die Stadt verbot Bachmann und seinem Vize Siegfried Däbritz vorige Woche die Anmeldung von Demonstrationen - und zwar bis zum Jahr 2021. Bachmann wehrt sich auf juristischem Wege und reichte einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht ein. Dieser hat freilich keine aufschiebende Wirkung: Beim »Abendspaziergang« an diesem Montag unter dem Motto »Jetzt erst recht« kann er nicht als Chef fungieren.

Doch der Skandal am 3. Oktober wurde auch ermöglicht, weil man die Protestierer gewähren ließ. Namentlich die Dresdner Versammlungsbehörde steht in der Kritik. Sie habe es, sagt LINKE-Stadtrat Kießling, nicht vermocht, die Wutbürger aus dem Pegida-Umfeld auf Distanz zu halten. Der Vorfall füge sich dabei in ein Bild, das Kritiker seit Jahren von der Behörde haben. Ihr Vorwurf: Nazis und rechtspopulistische Truppen wie Pegida dürfen auf den schönsten Plätzen demonstrieren, etwa vor der Semperoper. Protest wird auf Abstand gehalten; Auflagen sind milde und werden nur lax kontrolliert. Demonstrationen mit eher linkem Hintergrund werden dagegen geschurigelt. »Man ist kulant nach rechts und rigide nach links«, sagt Kießling und fügt an, das Neutralitätsgebot werde von der Behörde augenscheinlich »immer wieder übertreten«.

Der Vorwurf ist hart, lässt sich aber nur mühsam untermauern oder widerlegen. Im Stadtrat sollte nun der Versuch unternommen werden. LINKE und Grüne beantragten einen Ausschuss, der das Handeln der Behörde »über einen längeren Zeitraum« hätte untersuchen sollen. Zwar ist ein solches Gremium auf kommunaler Ebene nicht das »scharfe Schwert«, als das Untersuchungsausschüsse in Landtagen oder im Bund gelten. Im Stadtrat erhoffte man sich aber, durch geballte Anfragen und die Anhörung etwa von Demonstrationsanmeldern eventuelle Missstände ans Licht zu bringen.

Der Vorstoß ist indes vorerst gescheitert. Der Antrag wird nicht im Stadtrat behandelt, sondern auf Weisung von Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) durch die Landesdirektion Sachsen geprüft. Das Rathaus erklärte auf Anfrage, das Versammlungsrecht sei keine städtische Materie, sondern eine »Weisungsangelegenheit«, die »nach Vorgaben des Freistaats erledigt« werde. Zudem sehe die sächsische Gemeindeordnung keine Prüfausschüsse vor. Stadträte weisen freilich darauf hin, dass zeitweilige Ausschüsse zu bestimmten Themen wiederholt eingesetzt worden seien. Grünen-Fraktionschefin Christiane Filius-Jehne erklärte zudem verwundert, Anfragen zum Versammlungsrecht habe Hilbert im Stadtrat ebenfalls beantwortet. Dem OB wird vorgeworfen, auf Zeit zu spielen. Man werde dennoch »alle verbliebenen Möglichkeiten als Stadträte nutzen«, sagt Kießling. Zudem behalte man sich eine Klage vor.

Allerdings scheint bereits die Drohung einer Tiefenprüfung bei der Versammlungsbehörde Wirkung im Rathaus zu entfalten. Hilbert unterbreitete das Angebot, »ein oder mehrere neutrale Gutachten« zu deren Arbeit in Auftrag zu geben. Auch die neue Härte gegenüber Bachmann, so vermutet Kießling, steht im Zusammenhang mit dem Antrag. Zur Begründung waren die Aufrufe zu »nicht angezeigten Versammlungen« am 3. Oktober angeführt worden. Bisher hatte man freilich über die Vorgeschichte Bachmanns, der schon 1998 zu einer Haftstrafe verurteilt worden war und sich dieser zunächst durch Flucht nach Südafrika entzogen hatte, hinweggesehen. Später war er mit harten Drogen erwischt worden. Ein Streit über Unterhaltszahlungen wird noch immer vor Gericht ausgefochten. Selbst seine Verurteilung wegen Volksverhetzung im Mai hatte jedoch keine Auswirkungen auf seine Tätigkeit als Anmelder der Demos. Bachmann war vom Amtsgericht Dresden zu einer Geldstrafe von 9600 Euro verurteilt worden, weil er auf Facebook im September 2014 Flüchtlinge als »Dreckspack«, »Viehzeug« und »Gelumpe« bezeichnet hatte.

Der Prozess muss, anders als zunächst erwartet, nicht neu aufgerollt werden. Bachmann hatte die Äußerungen zunächst bestritten und war in Berufung gegangen; am 23. und 30. November hätte erneut verhandelt werden sollen. Inzwischen hat er aber laut seiner Verteidigerin den Vorwurf eingeräumt; verhandelt wird nur noch über die Höhe der Strafe.

Seine Energie scheint der 43-Jährige, der inzwischen auf Teneriffa lebt und von dort zu den montäglichen Demonstrationen einfliegt, zunächst auf den Rechtsstreit um die Sperre als deren Anmelder zu konzentrieren. Der drakonische Schritt ärgert freilich nicht nur den direkt Betroffenen; er stößt auch im Stadtrat durchaus auf Skepsis - weil er sich als Pyrrhussieg erweisen könnte. »Das 5-Jahre-Verbot«, fürchtete der grüne Stadtrat und Jurist Johannes Lichdi, »wird nicht halten«. Und Bachmann, fügte er in einem Eintrag beim sozialen Netzwerk Twitter hinzu, »wird gestärkt.«

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