Nur ein Arzt pro 733 Einwohner

Offiziell mangelt es in Brandenburg nicht an Medizinern, aber an vielen Stellen fehlen sie doch

  • Manfred Rey
  • Lesedauer: 3 Min.

In Brandenburg ist die Zahl der Ärzte leicht angestiegen. Dennoch fehlen vielerorts Mediziner. Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB) droht in 13 der 46 Regionen eine Unterversorgung mit Hausärzten. In den Regionen Bad Freienwalde, Eisenhüttenstadt, Kyritz, Lübben, Rathenow und Templin fehlen Augenärzte, in Lauchhammer sogar massiv. Templin ist auch mit Dermatologen unterversorgt. Für KVBB-Sprecher Christian Wehry ist der große Bedarf vor allem auf die gestiegene Lebenserwartung zurückzuführen. »Die Menschen leben immer länger, dadurch gibt es auch immer mehr Kranke.«

Laut KVBB gab es Ende vergangenen Jahres 3695 Vertragsärzte in Brandenburg - 74 mehr als zwölf Monate zuvor. Mit 733 Einwohnern pro Mediziner hat Brandenburg bundesweit die geringste Ärztedichte. Im Schnitt der Länder liegt die Ärztedichte bei 670 Einwohnern auf einen Mediziner. Zudem sind die Ärzte in Brandenburg älter als anderswo. Knapp 29 Prozent der Hausärzte sind 60 Jahre und älter, bei den Fachärzten sind es etwa 20 Prozent.

Dringend gesucht werden Hausärzte, aber auch Frauen- und Kinderärzte sowie Fachärzte für Augen-, Haut- und Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen. Dabei ist die Situation im Land sehr unterschiedlich. Zwar sind die ländlichen Gebiete vom Ärztemangel am ehesten bedroht. Doch klagen auch Einwohner in den Gemeinden im Umkreis Berlins über lange Wege zum Doktor. So fehlen in Neuenhagen Hausärzte, während die Gegend von Elsterwerda und Bad Liebenwerda als hausärztlich überversorgt gilt.

Wegen des vergleichsweise hohen Alters der Mediziner in Brandenburg droht die Arztdichte in den kommenden Jahren weiter abzunehmen. Von einem generellen Ärztemangel will Wehry aber nicht sprechen. »Die Ärztezahlen entwickeln sich über alle Bereiche positiv«, sagt er.

Das wird beim größten Sozialverband Brandenburgs, der Volkssolidarität, anders bewertet. Andrea Schiller, Chefin der Sozialstation in Wittstock, sagt, die heutige Lage sei eindeutig nicht besser als vor fünf Jahren. Etliche Praxen in ihrem Gebiet haben ihr zufolge geschlossen.

Cornelia Kossatz, Leiterin der Sozialstation in Cottbus, sieht ebenfalls keine Verbesserung. Viele Ärzte seien alt und suchen einen Nachfolger für ihre Praxis. Doch selbst in Cottbus, der zweitgrößten Stadt Brandenburgs, gebe es zu wenig Interessenten. »Die Warteräume sind voll, die Facharzttermine rar«, lautet das Urteil von Kossatz.

In Guben hilft die Naemi-Wilke-Stiftung mit ihrer Tochter Medizinische Einrichtungsgesellschaft, die ärztliche Versorgung zu sichern. Etliche Mediziner seien aus Polen angeworben worden, sagt Claudia Stein, Vizechefin der dortigen Sozialstation. Dennoch fehlen Augenärzte und Diabetologen. Längere Zeit habe es auch keinen Neurologen und Psychologen in der Stadt gegeben. Nun komme wenigstens an drei Tagen in der Woche ein Neurologe aus Berlin.

Um die Situation zu verbessern, bieten KVBB und Krankenkassen Ärzten für eine eigene Praxis finanzielle Hilfen von bis zu 50 000 Euro an. Dennoch ziehe es viele junge Mediziner wegen besserer Verdienstmöglichkeiten ins Ausland oder nach Berlin, sagt Wehry.

Aufwind erhofft sich die KVBB von einem Projekt in Templin. Dort sollen mit der AOK, der Barmer GEK und dem Sana-Krankenhaus neue Strukturen für den ländlichen Raum erprobt werden. So soll unter anderem ein regionales Ärztenetz die Zusammenarbeit zwischen Klinik und Praxen verbessern. Geplant sind ein ambulant-stationäres Zentrum und ein Pflegenetzwerk. Für die verschiedenen Behandlungswege soll es eine zentrale Anlaufstelle für die Patienten geben. Verläuft das mit 14,5 Millionen Euro geförderte Projekt erfolgreich, soll es auf andere Regionen Brandenburgs übertragen werden. dpa/nd

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal