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Religionen und Horizonte

Auch für kleine Atheisten: Manfred Mai möchte Kindern Wissen über die wichtigsten Glaubensgemeinschaften vermitteln

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die meisten Kriege, die uns als »religiöse Konflikte« in den Medien begegnen, haben ihre Wurzeln eben nicht in Glaubensfragen. Sie sind statt dessen (fast immer) auf geopolitische Machtkämpfe zurückzuführen, deren wahre Motive durch die Bezeichnung »Religionskrieg« nur kaschiert werden sollen. Ebenso verhält es sich mit einem »Bürgerkrieg« in Syrien oder »ethnischen Konflikten« in Sri Lanka: Es geht nicht vorrangig um den Glauben oder die Herkunft der jeweiligen Bevölkerung, sondern um Bodenschätze, Militärbasen und Einflusssphären.


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* Manfred Mai: Wir leben alle unter demselben Himmel. Die 5 Weltreligionen für Kinder. Hanser. 152 S., geb., 18 €.


Manfred Mai wird mit seinem Buch »Wir leben alle unter einem Himmel - Die fünf Weltreligionen für Kinder« also kaum die Kriege aus der Welt schaffen. Trotzdem ist sein Vorhaben, den folgenden Generationen ein Verständnis der fünf dominanten Glaubensströmungen zu vermitteln, keineswegs vergeblich - schließlich lassen sich Unwissende erheblich leichter zu »religiöser« (geopolitischer) Gewalt verführen als jene, die ihren Horizont erweitert haben. Und selbst wenn man den Erklärungen, Regeln und Mustern der Religionen nicht folgen mag, so muss man sie doch so früh wie möglich studieren, um die Welt verstehen zu können.

Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus: Mai versammelt von den fünf Großreligionen in angemessen einfacher Sprache und schlüssig und übersichtlich im Aufbau die Grundphilosophie, die Geschichte, die heiligen Schriften, die wichtigsten Heiligtümer, die Feste im Jahreslauf und jene im Lebenslauf.

In der momentan aufgeheizten Stimmung gegenüber dem Islam blättert man zunächst vor zum Kapitel über diese mit »nur« 1400 Jahren Geschichte jüngsten Weltreligion. Dort erfährt man, dass die muslimische Weltgemeinde mit ihren 1,6 Milliarden Gläubigen am schnellsten von allen großen religiösen Gruppen wächst. Oder man stellt als Laie überrascht fest, dass die Gruppe der schiitischen Muslime, die etwa Iran dominieren, nur 15 Prozent der »Umma«, also der weltweiten Glaubensgemeinschaft, ausmachen.

Manfred Mai möchte Brücken bauen, auch zwischen Gläubigen und Atheisten, man sucht Religionskritik und Abhandlungen über ein »Opium für das Volk« vergeblich. Andererseits aber wird etwa kritisch reflektiert, dass unser Grundgesetz mit einer christlichen Floskel beginnt, was für einen Staat, der gerne seine Säkularität vor sich her trägt, bemerkenswert ist: »Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen ...«

Der Autor lässt keine Präferenzen für den einen oder anderen Glauben durchblicken, und die Leser erfahren, dass der heute vor allem mit extremistischen Muslimen verknüpfte Kampfbegriff »Heiliger Krieg« von Christen erfunden wurde. Die in einem übergreifenden Text vertretene These, alle Religionen seien »mal Opfer, mal Täter« gewesen, erscheint zunächst als zu einfach, symbolisiert aber den versöhnenden Anspruch des Autors.

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