Der Testlauf für den Testlauf

Mit Spielen gegen Schweden beginnen die deutschen Handballerinnen ihre Vorbereitung auf die EM, die selbst nur auf die WM vorbereiten soll

  • Christopher Köster, Leverkusen
  • Lesedauer: 3 Min.

Michael Biegler hätte auch gut in ein Meeting eines Start-ups in Berlin gepasst. Im blauen Kapuzenpulli saß er da und sprach mit entschlossenem Blick: »Wir haben einen geraden und stringenten Plan, jetzt kann es losgehen.« Der Bundestrainer der deutschen Handballerinnen gab damit den Startschuss zur finalen Vorbereitungsphase auf die Europameisterschaft vom 4. bis 18. Dezember in Schweden. Seine Generalprobe absolviert das Team des Deutschen Handballbundes (DHB) mit zwei Spielen in Hamm und Trier an diesem Wochenende gegen den EM-Gastgeber - ein echter Gradmesser vor dem kontinentalen Vergleich.

Wolfgang Sommerfeld, Sportdirektor des DHB bediente sich ebenfalls am Jungunternehmervokabular. »Wir werden hier klar aufgabenorientiert arbeiten, nicht so sehr ergebnisorientiert«, sagte er im Trainingslager in Leverkusen. Die EM sei wie die Testspiele zuvor nur ein »Baustein des Projekts 2017«, behaupten Biegler und Sommerfeld unisono. Im Dezember kommenden Jahres laufen die deutschen Frauen als Gastgeberinnen bei der Weltmeisterschaft auf, bis dahin will der DHB eine schlagkräftige Truppe zusammenstellen. »Es ist wie ein Hausbau«, sagte Sommerfeld in einer weiteren Analogie: »Jetzt haben wir das Fundement geschaffen, in Schweden wollen wir Schritt für Schritt den ersten Stock bauen. Hoffentlich können wir Ende 2017 dann einziehen.«

Während Biegler auf den Einzug in die Hauptrunde hofft, um »drei weitere Spiele gegen hochkarätige Gegner« bestreiten zu können, rückt die Bedeutung einer Europameisterschaft fast in den Hintergrund. Dabei hat das Team nach Rang zehn bei der EM 2014 und dem 13. Platz bei der WM im vergangenen Jahr einiges gutzumachen. »Die Platzierungen haben gezeigt, dass Defizite da waren. Wir haben beispielsweise Spielzüge zu schnell abgeschlossen und waren nicht gut im Rückzug«, legte Biegler den Finger noch einmal in die Wunde.

Der ehemalige Trainer der polnischen Männer-Nationalmannschaft glaubt zu wissen, woran er mit seinen Spielerinnen arbeiten müsse. »Wir brauchen mehr Stabilität. Sowohl in den 60 Minuten eines Spiels als auch über ein gesamtes Turnier hinweg«, nannte Biegler das größte Verbesserungspotenzial.

Die Schwedinnen am Wochenende sind wie die drei EM-Vorrundengegner - Vizeweltmeister Niederlande, der Olympiazweite Frankreich und der WM-Vierte Polen - ein echter Gradmesser für Biegler und seine Mannschaft. Deutschland muss dann in der Vierergruppe in Kristianstad mindestens Dritter werden, um sicher in die Hauptrunde einzuziehen.

Dennoch wird Biegler nicht müde zu betonen, dass alles ein fortwährender Prozess sei, der noch mindestens ein Jahr andauern werde. »In meinem Kopf sind die Vorstellungen sehr weit, aber wir können sie nur etappenweise an die Spielerinnen weitergeben«, sagte er.

Gegen Ende des ersten vollen Trainingstages klang Biegler schon eher wie ein abgebrühter Geschäftsführer, der sich schützend vor seine Mitarbeiterinnen stellt. »Falls es nicht laufen sollte, geben Sie bitte mir die Schuld, ich kann das aushalten«, sagte er: »Wir müssen ihnen Zeit geben und sie nicht noch zusätzlich unter Druck setzen.« SID/nd

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