nd-aktuell.de / 30.11.2016 / Brandenburg / Seite 10

Busse zur KZ-Gedenkstätte sind überfüllt

Dik de Boef, Generalsekretär des Internationalen Sachsenhausen-Komitees, fordert eine bessere Anbindung

Andreas Fritsche

Jetzt schon mehr als 700 000 Besucher im Jahr zählt die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen und Leiter Günter Morsch rechnet für die Zukunft mit noch mehr. Menschen aus aller Welt fahren zumeist mit der S-Bahn oder dem Regionalzug aus Berlin zum Bahnhof Oranienburg und steigen dort in den Bus um. Doch die Linie 804 fährt nur einmal in der Stunde, an den Wochenenden sogar nur alle zwei Stunden. Lediglich wochentags gibt es zusätzlich noch vier Fahrten der Linie 821.

Das ist viel zu wenig, findet Morsch. Zwar ist es möglich, zu Fuß zu gehen. Doch das dauert mit scharfem Schritt etwa 20 Minuten und ist vor allem älteren Menschen nicht zuzumuten. 14 127 Unterschriften sind für eine Taktverdichtung gesammelt worden.

Günter Morsch und der Generalsekretär des Internationalen Sachsenhausen-Komitees (ISK), Dik de Boef, der extra aus Amsterdam angereist war, wollten die Listen am Montag an die Oberhavel Verkehrsgesellschaft (OVG) übergeben. Doch der »im Nebenzimmer anwesende« OVG-Geschäftsführer Klaus-Peter Fischer sei nicht bereit gewesen, die Unterschriften persönlich entgegenzunehmen, beschwerte sich Morsch anschließend. Diese Behandlung sei ein Skandal, schimpfte er.

Dik de Boef ergänzte, dass die KZ-Überlebenden die »stetig steigenden Besucherzahlen« mit Freude zur Kenntnis nehmen. »Umso mehr trifft es sie, wenn die OVG die Gedenkstättenbesucher einfach ignoriert.«

Oranienburgs Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke (SPD) kann die Verweigerungshaltung nicht verstehen, da doch »gut frequentierte Buslinien« wirtschaftlich seien. Laesicke gab sich »zuversichtlich«, dass der Landkreises Oberhavel »unserer Forderung nach einer besseren Busanbindung der wichtigsten KZ-Gedenkstätte des Landes Brandenburg entsprechen wird«.

Da scheint er sich aber zu verrechnen. Die gewünschte Taktverdichtung habe bei der Fortschreibung des Nahverkehrsplanes für die Jahre 2017 bis 2021 keine Berücksichtigung gefunden, erklärte die Kreisverwaltung. Der Kreistag habe am 12. Oktober entschieden. Es würden nur häufiger Busse fahren, wenn es dafür Bedarf gebe. Ein solcher Bedarf habe aber für die Linie 804 nicht ermittelt werden können, »da eine Auslastung der Busse durch Besucher der Gedenkstätte lediglich zu Spitzenzeiten erreicht wird«.

Morsch schüttelte den Kopf. »Nahezu täglich kann man die überfüllten Busse beobachten. Insbesondere der Zwei-Stunden-Takt an Wochenenden ist völlig unzureichend«, sagte er. »Wir brauchen zumindest eine Taktverdichtung zu den Stoßzeiten am Vormittag, wenn die meisten Besuchergruppen am Bahnhof ankommen, und am Nachmittag, wenn sie ihren Gedenkstättenbesuch beendet haben. Dabei denken wir nicht zuletzt auch an die vielen Oranienburger, die auf diese wichtige Buslinie angewiesen sind. «

Dass die Unterschriften von OVG-Chef Fischer »nicht persönlich in Empfang genommen wurden und auch der Ton dem Vernehmen nach unangemessen war, bedaure ich sehr«, sagte Landrat Ludger Weskamp (SPD). Fischer habe ihm aber glaubhaft versichert, es sei nicht seine Absicht gewesen, die Gefühle von Dik de Boef zu verletzen.

Fischer selbst sagte, er habe »ein klärendes Gespräch« mit Günter Morsch vereinbart und wolle vorher keine weiteren Erklärungen abgeben.

Der Kreistagsabgeordnete Lukas Lütke (LINKE) nannte das Verhalten des Geschäftsführers »absolut inakzeptabel«. Wenn sich alles wirklich so zugetragen habe, müsste es »Konsequenzen geben« forderte Lütke. Linksfraktionschefin Elke Bär erinnerte, die LINKE habe im Kreistag für eine Taktverdichtung plädiert. Doch die Mehrheit von CDU und SPD habe dafür keine Notwendigkeit gesehen.

Bei der Sammlung der Unterschriften hatten Unterstützer geäußert, eine Gedenkstätte dieses Formats braucht dringend eine bessere Anbindung. Auch hieß es, die Fahrt mit Linie 804 sei »Horror«. Ein Anlieger schrieb: »Als Anwohner erleben wir andauernd die überfüllten Busse und verstehen nicht, wie der Kreis das ignorieren kann.«