Kenias Sonnenrevolution

Netzunabhängige Solarmodule ersetzen immer mehr das marode öffentliche Stromnetz

  • Anne Gonschorek, Kapstadt
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf einem Kontinent, auf dem zwei von drei Menschen keinen Zugang zum Elektrizitätsnetz haben und dem es an Sonnenschein nicht mangelt, liegt besonders eine Lösung des Energieproblems recht nahe: Solarenergie. Schon 2015 stellte das »Africa Progress Panel« (APP) unter dem ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan fest, dass die bisherigen 8 Milliarden Dollar (7,3 Milliarden Euro) pro Jahr an Investitionen in das traditionelle Elektrizitätsnetz um volle 55 Milliarden Dollar erhöht werden müssten, um dem Problem zu begegnen - ein unwahrscheinliches Szenario.

»Man kann einen roten Faden erkennen - geringer Zugang zu Elektrizität, riesige Verluste in den Vertriebsnetzen, weil die Anlagen nicht genug gewartet werden, veraltete Technologien und Diebstahl«, veranschaulicht Chris Holmes die Lage gegenüber dem »African Business Magazine«. Der Geschäftsführer für Benzin und Flüssiggas bei dem Beratungsunternehmen IHS Energy meint: »Die staatlichen Energieversorger haben kein Geld, staatliche Einrichtungen bezahlen keine Rechnungen und sie haben kein Geld, um neu zu investieren.«

Angesichts der gegenwärtigen Lage, würde es bis zum Jahr 2080 dauern, bis alle Afrikaner mit Strom versorgt wären. Der weltweite Vergleich fällt kümmerlich aus: die Netzkapazität aller Länder von Subsahara-Afrika zusammen liegt laut APP bei gerade einmal 90 Gigawatt - also deutlich unter dem Niveau des Netzes eines mittelgroßen Landes, wie dem von Spanien mit 108 Gigawatt. Deshalb ist Afrika in den vergangenen Jahren zum Versuchsgelände für neue Technologien geworden.

Netzunabhängige Solarmodule breiten sich immer schneller aus. Eine Branche, die noch vor ein paar Jahren kaum existierte, soll jetzt Hunderttausenden Haushalten in ganz Afrika Elektrizität bringen. Besonders in Kenia scheint dieses Konzept gut anzukommen. Eine Umfrage bei knapp 200 Nutzern der bahnbrechenden solaren Inselsysteme in ländlichen Gegenden fand heraus, dass mindestens zehn Prozent der Teilnehmer bereits jetzt die »Energieleiter« heraufklettern und die saubere Energie auch für ihre Geschäfte und Bauernhöfe nutzen wollen.

Marktführer ist dabei M-Kopa. Das kenianische Solarunternehmen hat bisher 400 000 neue Systeme installiert und könnte im nächsten Jahr weitere 200 000 Anlagen hinzufügen. Sollte es bei diesem Tempo bleiben, glauben Experten, dass Solarenergie den Anschluss zum traditionellen Netz in den kommenden Jahren schaffen und dieses sogar überholen könnte.

»Hier in Kenia werden solare Produkte mit Umlagemodellen und mobilen Bezahlungstechnologien gekoppelt«, erklärte der Generaldirektor der Internationalen Agentur für erneuerbare Energien (IRENA), Adnan Z. Amin, auf einer Konferenz. Weil Kenianer alles über ihr Handy abwickeln, haben sich die Solarfirmen eben angepasst.

Statt eines ausgebauten Stromleitungsnetzes könnte es also in Kenia zukünftig flächendeckend netzunabhängige Mini-Solarnetze geben. Dabei helfen auch die fallenden Preise solarer Kleinanlagen: IRENA glaubt nämlich, dass diese für nur 56 Dollar Haushalte ein ganzes Jahr lang mit Strom versorgen könnten. Damit sind die Solarmodule günstiger als Diesel oder Petroleum.

Weil die Afrikanische Entwicklungsbank sich einen universellen Zugang bis 2025 vorstellt, unterstützt ihr Präsident Akinwumi Adesina auf seinen Reisen über den Kontinent immer mehr die Deregulierung der Energiemärkte und Nutzung erneuerbarer Energien. »Es gibt keinen guten Grund, dass Afrika keinen universellen Zugang haben sollte, denn die Technologie existiert«, sagt auch Andrew Herscowitz, Koordinator von der US-Initiative Power Africa gegenüber dem »African Business Magazine«.

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