VW: Regierung will nichts gewusst haben

Minister und Kanzleramtschef sagten vor Abgas-Untersuchungsausschuss aus

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Berlin. Der Skandal um Abgasmanipulationen bei VW ist aus Sicht von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel »eine Zäsur« über den Konzern hinaus. Für die Autoindustrie und die Marke »Made in Germany« sei es über die Schadensbegrenzung hinaus nötig, Vertrauen wiederherzustellen, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag im Untersuchungsausschuss des Bundestags. Von den Manipulationen bei VW habe er über Pressemitteilungen im September 2015 erfahren. Danach habe er beim Konzern Klärung angemahnt und sich für die schnelle Einführung neuer Testverfahren auf EU-Ebene eingesetzt. Gabriel sollte auch zu seiner Zeit als Umweltminister (2005 bis 2009) befragt werden. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU), der ebenfalls vor dem Ausschuss aussagte, hörte nach eigener Aussage auch erst nach dem öffentlichen Bekanntwerden von illegalen Praktiken. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte sich bei Redaktionsschluss noch nicht vor den Abgeordneten geäußert.

Ihm sei bekannt gewesen, dass es Kritik von Umweltschützern an den Unterschieden von Testmessungen und realen Abgaswerten gab, sagte Gabriel. Dies sei angesichts von Äußerungen von Technikern über Testzyklen plausibel gewesen. Begriffe wie »Abschalteinrichtungen« der Abgasreinigung habe er nicht gehört.

Der Untersuchungsausschuss soll aufklären, inwieweit die Bundesregierung Kenntnis darüber hatte, dass die real festgestellten Kraftstoffverbräuche und Emissionen von Kraftfahrzeugen nicht mit den von den Herstellern angegebenen beziehungsweise von den Prüfstellenermittelten Werten übereinstimmten und welche Ursachen es dafür gab. Auch steht die Frage im Raum, was die Koalition tat oder unterließ, um diesen Umstand zu beenden sowie Umwelt und Bevölkerung zu schützen.

Der Ausschuss will bald auch den früheren VW-Chef Martin Winterkorn, der im Zuge der Affäre seinen Posten räumen musste, als Zeugen befragen. Er hatte stets betont, sich keines Fehlverhaltens bewusst zu sein. Zur Sitzung am 19. Januar sollen auch weitere Branchenvertreter geladen werden, wie das Gremium am Donnerstag beschloss. So wollen die Abgeordneten den Präsidenten des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, zu seinen Einschätzungen vernehmen. Rede und Antwort stehen sollen außerdem Gerwin Postel (VW), Axel Eiser (Audi) und Andreas Dindorf (Opel).

Der Ausschussvorsitzende Herbert Behrens (LINKE) sagte, es sei kein Geheimnis, dass die Autoindustrie enge Kontakte zur Bundesregierung habe. »Welche konkreten Absprachen es im Kontext des Abgasskandals und der Emissionsgesetzgebung gegeben hat, wird im Zentrum der Befragungen stehen.« Am 26. Januar soll Daimler-Cheflobbyist Eckart von Klaeden (CDU) geladen werden, der zuvor Staatsminister im Kanzleramt war.

Grünen-Politiker Oliver Krischer forderte »strukturelle Konsequenzen« aus dem Skandal. Als Vorbild für Deutschland nannte der Vizevorsitzende des Ausschusses im ARD-»Morgenmagazin« die USA, die eine unabhängige Behörde habe, die mit der Autoindustrie nicht so verbandelt sei.

Der von der Opposition beantragte Bundestagsausschuss soll klären, was die Bundesregierung seit 2007 mit Blick auf Abgasregeln unternommen hat und wann sie von Manipulationen erfuhr. VW hatte eine verbotene Software eingesetzt, was 2015 in den USA aufflog und zum Diesel-Skandal führte. Auch bei anderen Herstellern sind auffällige Abgaswerte bekannt geworden.

Unterdessen zeigen aktuelle Daten, dass VW erstmals seit Bekanntwerden des Dieselskandals seinen Marktanteil in Europa wieder leicht steigern konnte. Er kletterte im November auf 24,6 Prozent - vor einem Jahr waren es 24,4 Prozent, wie der europäische Autoherstellerverband ACEA mitteilte. Agenturen/nd

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