Finanzier der Einheit

Hans Tietmeyer bereitete den Übergang von der DDR-Mark zur D-Mark vor. Und später den Übergang zum Euro

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Nicht allein die Popstars der Babyboomer-Generation sterben aus. Auch die Architekten der deutschen Einheit wie Hans Tietmeyer. Der Finanzfachmann begleitete die Politik Helmut Kohls (CDU) an der Spitze der Bundesbank. Mit der Wahl des Pfälzers zum Bundeskanzler 1982 war Tietmeyer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium geworden. Als »Sherpa« des Kanzlers bereitet er die Gipfel der größten Volkswirtschaften vor. G7 heißt das damals noch. Ab März 1990 berät der Bundesbanker den Kanzler bei den Verhandlungen mit der DDR in Währungsfragen und wird damit zu einem der Architekten der »Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion«.

Mit seinem hölzern-konservativen Auftritt verführte das CDU-Mitglied seine Kritiker, ihn zu unterschätzen. Doch der Diplom-Volkswirt »mit preußischer Disziplin« hatte durchaus einen eigenwilligen Kopf.

So rät er in zwei zentralen Punkten vom DDR-Übernahmevertrag ab. Tietmeyer plädiert für eine schrittweise Einführung der D-Mark, um der DDR-Wirtschaft den Übergang in den real existierenden Kapitalismus zu erleichtern. Und er kritisiert das Umtauschverhältnis von der »schwachen« DDR-Mark zur »starken« DM im Verhältnis 1 zu 1. Dadurch werde die Geldmenge aufgeblasen und Inflation drohe.

Seit an Seit begleitet Tietmeyer seinen Ziehvater Kohl auch in die europäische Währungsunion. Auf Tietmeyers Initiative hin wird 1991 im Vertrag von Maastricht - der Grundlage für den gemeinsamen europäischen Markt - die Unabhängigkeit der künftigen Europäischen Zentralbank (EZB) festgeschrieben. Nach dem Vorbild der Bundesbank.

Gleichwohl scheute der Katholik als Bundesbank-Chef (1993-1999) keinen politischen Konflikt. Er steht als Vertreter der »Krönungstheorie« dafür, dass eine gemeinsame Währung erst den Abschluss der wirtschaftlichen Integration darstellen solle.

Letztlich schließt er sich aber dem politischen Willen der Regierungen für eine frühe Währungsunion als Schrittmacher der Integration an. Zumal Länder wie Frankreich auf eine »politische« EZB wie die US-Notenbank Fed - die beispielsweise die Arbeitslosigkeit berücksichtigt - verzichtet hatten und sich auf einen strikten Stabilitätskurs verlegen.

Zum Ärger der Linken tritt Tietmeyer für hohe Leitzinsen und niedrige öffentliche Schulden, Einsparungen im Sozialsystem und eine Konzentration des Staates auf seine Kernaufgaben ein. Tietmeyers maßgeblicher akademischer Lehrer war niemand geringeres als der Kölner Professor Alfred Müller-Armack, der Wortschöpfer der »Sozialen Marktwirtschaft«.

Dessen »ordoliberale« Schule setzt auf einen starken Staat, der eine Steuerung der Wirtschaft unterlässt, wie sie heute Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) praktiziert. Allerdings müsse der Staat den Wettbewerb vor den Großkonzernen schützen. Eine erfolgreiche Wettbewerbswirtschaft biete dann die Möglichkeit für sozialen Ausgleich.

Wenig erfolgreich war der Vater zweier Kinder als Manager. Bis zur Schieflage in der Finanzkrise ist er Aufsichtsratsmitglied der Immobilienbank Hypo Real Estate, die mit 100 Milliarden Euro retten muss. Damit wird der Stabilitäts-Fan zum zweiten Mal für die sprunghaft steigende Staatsverschuldung des Bundes mitverantwortlich, nach der Wiedervereinigung nun auch in der Finanzkrise. Tietmeyer starb im Alter von 85 Jahren, teilte die Bundesbank am Mittwoch mit.

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