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Angst vor IS-Heimkehrern

Tunesien hat ein ernstes Problem, das sich in anderen Ländern noch zeigen wird

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Sperranlage ziehen sich vom Grenzübergang Ras Jedir an der Mittelmeerküste 200 Kilometer weit ins Land bis Dhiba. Und man baut weiter Gräben in Richtung Süden, damit die tunesische Grenze von Libyen aus für Fahrzeuge nicht problemlos überwunden werden kann. Mit deutscher und US-Hilfe will man Elektronik hinzufügen, um dschihadistische Angriffe frühzeitig zu erkennen.

Im März hatte es einen massiven Angriff auf die nördlich gelegene Grenzstadt Ben Guerdane gegeben, den der »Islamische Staat« organisiert hatte. Eilig schickte die Armee Verstärkung und schlug die bewaffneten Eindringlinge zurück. Verteidigungsminister Farhat Horchani hatte sich damals vor den aufgeschütteten Grenzwall gestellt und verkündet, so könne Tunesien »aktiv und effizient gegen den Terrorismus kämpfen«.

Doch inzwischen hat sich die Taktik des IS geändert. Anhänger werden aufgefordert, nicht mehr nach Syrien und Irak zu kommen. Stattdessen sollten sie in ihren Heimatländern aktiv werden. Das elektrisierte Tunesiens Sicherheitsbehörden erneut, denn Nachrichtendienste behaupten: Überdurchschnittlich viele Marokkaner und Tunesier kämpfen für den IS. Auch nach Schätzungen einer UNO-Arbeitsgruppe sollen mehr als 5000 Tunesier als Angehörige extremistischer Gruppen in Irak und Syrien unterwegs sein. Viele gehören zur mittleren Führungsebene.

Wenn die heimkehren ... Dann können wir gar nichts dagegen machen, hatte Präsident Béji Caid Essebsi erklärt und damit viele Bürger in Wut versetzt. Auch die Sicherheitsdienste des Landes warnen vor einer massenhaften Rückkehr tunesischer Kämpfer. Wenn die Regierung sie nicht mit »außergewöhnlichen Maßnahmen« bekämpfe, drohe Tunesien zu einem neuen »Somalia« zu werden, erklärte die Gewerkschaft der inländischen Sicherheitsdienste am Sonntag.

Seitdem die Diktatur - die die eigene Islamistenszene unter Kontrolle hatte und die auch europäischen Partnern half, tunesische Dschihadisten im Blick zu behalten - unter dem Hauch des Arabischen Frühlings dahinschmolz, kamen neue Probleme. Die Arbeitslosigkeit stieg besonders unter der jüngeren Bevölkerung enorm. Wie so oft hatten da Extremisten Zulauf.

Seit 2011 wurden in dem nordafrikanischen Land mehr als hundert Soldaten und Polizisten bei Anschlägen getötet. Erst im März sind bei einem Anschlag auf das Nationalmuseum in der Hauptstadt Tunis 20 Touristen und ein Polizist getötet worden. Ende Juni ermordete ein Angreifer vor einem Strandhotel des Küstenorts Port El Kantaoui 38 ausländische Touristen. Der IS bekannte sich zu einem Bombenanschlag auf einen Bus in Tunis, bei dem im November zwölf Mitglieder der Präsidialgarde getötet wurden.

Das Problem mit den Heimkehrern wird sich in den kommenden Monaten verstärkt stellen. Auch in Staaten wie Deutschland, obwohl man hier »seine« IS-Soldaten bislang weitgehend im Griff hat. Doch ist es nicht sicher, wie sich beispielsweise tschetschenische Kämpfer verhalten, wenn sie sich wieder in ihren deutschen und österreichischen Rückzugsräume einrichten.

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