»Show« bleibt ohne Ergebnis

Feuertod von Ouy Jalloh: Experiment unausgewertet

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie viel sind »einige«? Einige Wochen werde die Auswertung dauern, sagte der Brandexperte Kurt Zollinger nach einem Brandversuch, der im Auftrag der Staatsanwaltschaft Dessau die Umstände des Feuertodes von Oury Jalloh klären sollte. Das war im August 2016. Seither sind immerhin 20 Wochen vergangen; die Ergebnisse des Experiments in einem alten Fabrikgebäude im sächsischen Schmiedeberg kennt die Öffentlichkeit aber weiterhin nicht. Die Zusammenstellung und Auswertung der Zahlen und Messwerte habe »dann doch mehr Zeit in Anspruch genommen«, sagte Olaf Braun, Sprecher der Staatsanwaltschaft, auf Anfrage des »nd«; der Abschlussbericht Zollingers stehe daher noch aus. In der »Mitteldeutschen Zeitung« hatte Braun unlängst die Hoffnung geäußert, das Papier könne im Januar vorliegen. Offenbar ist auch das nicht sicher. Am Dienstag sagte er, man werde das Ergebnis »zu gegebener Zeit« veröffentlichen.

Sicher ist also: Vor dem zwölften Jahrestag von Jallohs Tod an diesem Samstag gibt es keine neuen Erkenntnisse zu dessen genauen Umständen. Der Asylbewerber aus Sierra Leone war in den Mittagsstunden des 7. Januar 2005 in Gewahrsamszelle 5 des Polizeireviers Dessau, an Händen und Füßen gefesselt, auf seiner Matratze verbrannt. In den Morgenstunden war er festgesetzt worden, weil er in alkoholisiertem Zustand Frauen belästigt haben soll. In Prozessen gegen zunächst zwei, später noch einen Polizeibeamten ging die Anklage davon aus, dass Jalloh selbst das Feuer gelegt und die Matratze mit einem Feuerzeug angezündet haben soll, wohl, um Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Die »Initiative in Gedenken an Oury Jalloh« hielt diese These von Anfang an für falsch. »Oury Jalloh: Das war Mord!«, lautet denn auch erneut das Motto einer Demonstration, zu der wie in den vergangenen Jahren nach Dessau eingeladen wird (Samstag 14 Uhr, Hauptbahnhof). In einem Aufruf ist die Rede von der »unbewiesenen These von der Selbstverbrennung«; Jallohs Tod wird in eine Reihe mit anderen »rassistischen Morden« gestellt. Den harten Vorwurf stützt die Initiative auf wissenschaftliche Expertise: Der von ihr beauftragte irische Sachverständige Maksim Smirnou war im Jahr 2013 zum Schluss gekommen, dass bei dem Feuer in der Zelle Brandbeschleuniger eingesetzt worden sein muss und Jalloh das Feuer nicht selbst entfacht haben konnte. Eine Anwältin, die Familienangehörige vertrat, hatte vor Gericht formuliert, der Brand sei »von dritter Hand« gelegt worden.

Ob das tatsächlich so war, dazu kann der Versuch vom August in Schmiedeberg, unabhängig davon, wann die Auswertung vorliegt, wohl ohnehin keine Aufklärung bringen. Braun hatte beteuert, man starte »noch einmal bei Null« und gehe »ergebnisoffen« heran. Die Frage, wie das Feuer entstand, spielte aber keine Rolle. Im Experiment wurde eine Matratze, die nicht dem Original aus der Dessauer Zelle entsprach, in Brand gesetzt. Man wolle »zeitliche Abläufe« nachvollziehen sowie Temperaturen und Schadstoffe messen, hieß es; bei Bedarf sollten weitere Versuche folgen. Die Gedenkinitiative hatte angesichts der eklatanten Mängel von einer »ganz, ganz schlechten Show« gesprochen und auch kritisiert, dass der Brandversuch als »medienöffentliches Spektakel« durchgeführt wurde. Seither herrscht öffentlich nur noch eines: Stille.

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