Grundwasser wird nicht besser

In Deutschland wird weiterhin zu viel Dünger auf die Äcker gekippt

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Grundwasser in Deutschland findet sich noch immer zu viel Nitrat. Zwischen 2012 und 2014 wurde der zulässige Grenzwert an 28 Prozent der Messstellen überschritten. Das geht aus dem aktuellen Nitratbericht der Bundesregierung hervor, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Erstellt wurde der gemeinsame Bericht aus dem Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung sowie dem Bundesumweltministerium bereits im Herbst vergangenen Jahres. Hintergrund ist eine Auseinandersetzung mit der Europäischen Kommission, die Deutschland im November wegen zu hoher Nitratwerte vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt hatte. Brüssel kritisiert insbesondere, dass in Deutschland seit Jahren erheblich mehr Dünger auf die Äcker aufgebracht werden dürfe, als die Pflanzen aufnehmen könnten.

In den vergangenen Jahren habe sich die Nitratbelastung des Grundwassers »nur geringfügig verbessert«, heißt es in dem Nitratbericht. Überhöhte Werte finden sich vor allem in Niedersachsen und Schleswig-Holstein, aber auch im Norden Sachsen-Anhalts, Sachsens und in Teilen Nordrhein-Westfalens. Auch an den Küsten der Nord- und Ostsee gibt es kaum Anzeichen für eine Verbesserung. Die zu hohen Phosphor- und Stickstoffeinträge führen hier zu übermäßigem Algenwachstum. Nur bei Seen und Flüssen gehen die Einträge leicht zurück.

Als Hauptursache gilt der übermäßige Einsatz von stickstoffhaltigem Dünger in der Landwirtschaft. »Die intensivierte Landwirtschaft kommt uns immer wieder teuer zu stehen«, erklärte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Das zeige sich gerade beim Grundwasser. »Wenn es zu stark mit Nitrat belastetet ist, muss es für unsere Trinkwasserversorgung verdünnt oder das Nitrat muss technisch beseitigt werden.«

Für Menschen ist der Stoff selber nicht gefährlich. Nitrat kann aber zu Nitrit werden, das wiederum den Sauerstofftransport im Blut blockiert. Außerdem besteht der Verdacht, dass Nitrit indirekt krebserregend ist. Beim Trinkwasser werden diese Stoffe deshalb herausgefiltert, was teuer ist und den Wasserpreis nach oben treibt.

»Die Folgen sind höhere Kosten für Ersatzmaßnahmen und die Trinkwasseraufbereitung«, kritisierte die Geschäftsführerin der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft, Christa Hecht im Hinblick auf die geplante Novelle der Düngemittelverordnung. Die soll im Januar nach langjähriger Debatte im Bundestag verabschiedet werden.

Im Herbst hatten sich die Koalitionsparteien auf einen Kompromiss geeinigt. Ein Streitpunkt war die sogenannte Hoftorbilanz. Hier konnte das CSU-geführte Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) durchsetzen, dass dieses »flächenbezogene Bilanzierungssystem zur Nährstoffermittlung« nur für Betriebe mit mehr als 2000 Mastschweinen gilt - ab dieser Größe müssen die Nährstoffströme bilanziert werden.

Umweltverbänden geht diese Regelung nicht weit genug. Laut einer Stellungnahme des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) würden damit allein in Niedersachsen 90 Prozent der Betriebe ausgenommen. Durch die wachsende Konzentration in der Tierhaltung würden Böden verseucht, weil zu viele Tiere auf engem Raum mehr Gülle produzieren als das Land um den Stall herum aufnehmen könne. Zu hohe Nitratkonzentrationen im Boden sind laut Umweltverband ebenso problematisch wie Rückstände von Antibiotika.

Kritik kam auch von Bärbel Höhn, Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag. Die grüne Bundestagsabgeordnete twitterte nach der Veröffentlichung des Nitratberichtes, das Problem sei seit Jahren bekannt, und die Regierung müsse »endlich handeln«. Martin Weyand vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft beklagte ebenfalls: »Seit fast zwei Jahren wird die Umsetzung eines wirksamen Düngerechts in Deutschland verschleppt.« Martin Hofstetter von Greenpeace warf Agrarminister Christian Schmidt (CSU) vor, er mache sich zum »Büttel der Massentierhalter«.

Neben dem Bund sind auch die Länder gefragt. Im Bundesrat soll die Novelle der Düngeverordnung im März auf der Tagesordnung stehen. Niedersachsen als stark betroffenes Land setzt seit diesem Jahr auf mehr Kontrolle. »Die Überdüngung der landwirtschaftlichen Flächen führt zu einer erheblichen Belastung von Grund- und Oberflächengewässern«, sagte Agrarminister Christian Meyer (Grüne). Niedersachsen baut deshalb erstmalig die Kontrollen massiv aus und schafft dafür ab Januar eine neue eigenständige Düngebehörde. »Wir müssen endlich der komplexen und unübersichtlichen Nährstoffströme Herr werden und Verstöße konsequent ahnden«, erklärte Meyer.

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