Die Hoffnung am Müggelsee beginnt mit Abriss

Noch vor der Badesaison soll die Sanierung des Strandbades starten und dessen jahrelange Agonie beenden

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

Vergleiche hinken zumeist. Auf den so häufig kolportierten Titel einer »Riviera des Ostens« käme heute wohl tatsächlich kaum ein Besucher der mehr als 100 Jahre alten Badeanstalt am Müggelsee bei Rahnsdorf. Und das liegt nicht etwa am jahreszeitlich bedingten Grau und auch nicht an fehlender Pflege der Außenanlagen. Dass diese noch so gut aussehen, überrascht. Denn die Erholungsstätte im Südosten zwischen Fürstenwalder Damm und nördlichem Seeufer ist ganzjährig für jedermann kostenfrei zugänglich. Es sind die Gebäude, die vom Verfall künden.

Doch 2017 soll nun die von vielen Berlinern geforderte Sanierung beginnen. Losgehen wird es, wie »nd« beim Facility Management des Bezirksamtes Treptow-Köpenick erfahren hat, bereits vor der Eröffnung der Badesaison. Man beabsichtige als bauvorbereitende Maßnahme mit dem Abbruch (»Rückbau«) der einstigen Klubgaststätte links neben dem Haupteingang anzufangen, hieß es. Bereits am 13. Januar werde zum Abschluss des EU-weiten Vergabeverfahrens das Architekturbüro mit dem überzeugendsten Sanierungskonzept bekannt gegeben. Das Gelände werde während der aufwendigen Arbeiten im Strandbadareal geöffnet bleiben. Mit ihrem Abschluss rechnet der Bezirk 2019. Und er verspricht: »Strandbad für alle - ohne Eintritt«.

Das Strandbad Müggelsee hat seit Jahren keinen Betreiber - bei der Suche kam es zu keiner soliden Lösung. Es steht dennoch den Berlinern seit 2006 kostenfrei zur Nutzung offen, nachdem es der Bezirk Treptow-Köpenick aus der Verantwortung der Berliner Bäderbetriebe übernommen hatte. Grob geschätzt finden sich Jahr für Jahr mehr als 100 000 Besucher ein. Rund 150 000 Euro fallen jährlich für das Allernötigste an, für Sicherung, notwendige Reparaturen und Reinigung. Inzwischen ist aber der Sanierungsbedarf unübersehbar.

Seit dem vergangenen Jahr nun stehen die erforderlichen Mittel für die - denkmalgerechte - Sanierung des Strandbades in einer Gesamthöhe von acht Millionen Euro bereit. Aus dem Etat von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) stellte der Bund vier Millionen Euro bereit. Die Kofinanzierung in gleicher Höhe übernahm zur großen Erleichterung von Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) die Finanzverwaltung des Senats, also das Land Berlin.

Die einstige Klubgaststätte aus den 1970er Jahren fällt explizit als Schandfleck ins Auge. Der später als Partylocation genutzte »Diskowürfel« ist faktisch eine Ruine. Und die ist aus Sicht des Bezirksamtes inzwischen eine Gefahr für die Allgemeinheit und zudem eine Bedrohung für die Bausubstanz der unter Denkmalschutz stehenden Bauten des Strandbads.

Das gesamte Areal am Müggelsee liegt in der sensiblen Region, die für die Trinkwasserversorgung weiter Teile der Hauptstadt entsprechenden Schutz genießt. Als Maßstab für die Instandsetzung gilt für den Bezirk die Wahrung der Belange von Natur-, Wasser- und Denkmalschutz. Wobei sich letzterer auf das nach einem Brand 1929/1930 unter dem damaligen Stadtbaurat Martin Wagner erbaute elegante Ensemble des geschwungenen, zum 180 Meter breiten Sandstrand geöffneten Hauptgebäudes mit der Sonnenterrasse, den integrierten Läden und den Umkleidetrakten konzentriert. Zur Disposition steht neben dem Diskowürfel auch die in der DDR errichtete Freitreppe, die von der Terrasse zum Strand hinab führt. Beide Bauten zählen aber aus Sicht vieler Ost-Berliner ebenso zu dem ihnen vertrauten Strandbad-Ensemble wie die Sauna, der Sport- und Spielplatz, der abseits gelegene, vom üppigen Grün dezent gedeckte FKK-Bereich und selbst das angrenzende Bungalow-Dorf.

Fand der schon 2015 erfolgte Abbruch des halsbrecherischen Betonabsatzes zwischen Strand und Uferkante noch einmütigen Beifall, so decken sich die Pläne des Stadtbezirks nicht mit den Erwartungen vieler Anwohner. Der Bezirk plant, das Hauptgebäude zu sanieren und die Freitreppe gemäß dem Original aus den 1930er Jahren zu erneuern. Auch das Saunagebäude soll instand gesetzt werden. In den sanierten Gebäuden sollen Läden und Gastronomie sowie Räume für Tagungen und Events für Pacht- und Mieteinnahmen sorgen.

Vor allem der Verein »Bürger für Rahnsdorf« hatte viel mehr erhofft und wirft Bezirk und Bürgermeister vor, sein 2014 vorgelegtes, vom Runden Tisch entwickeltes Nutzungskonzept zu missachten. Der Verein fordert den Erhalt des »Würfels«, die Entwicklung des gesamten Strandbadareals und größtmögliche Bürgerbeteiligung. Für den 17. Januar wurde der Runde Tisch einberufen.

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