Haradinaj freigelassen

Ex-Premier Kosovos muss aber in Frankreich bleiben

  • Arnaud Bouvier, Colmar
  • Lesedauer: 2 Min.

Das Berufungsgericht der ostfranzösischen Stadt Colmar ordnete am Donnerstag die Freilassung des 48-jährigen Ramush Haradinaj an, dem Serbien Kriegsverbrechen während des Kosovo-Kriegs zur Last legt. Er darf Frankreich vorerst nicht verlassen und musste seinen Pass abgeben.

Der frühere Anführer der kosovarischen »Befreiungsarmee« UCK war am 4. Januar auf dem ostfranzösischen Flughafen Basel-Mülhausen festgenommen worden. Grundlage war ein von Serbien ausgestellter internationaler Haftbefehl. Die serbischen Behörden werfen Haradinaj Kriegsverbrechen im Kosovo-Krieg in den Jahren 1998 und 1999 vor und fordern seine Auslieferung.

Er soll Belgrad zufolge die »unrechtmäßige Inhaftierung von Zivilisten« angeordnet haben, die dann Opfer von »Folter, unmenschlicher Behandlung und Vergewaltigungen« geworden seien. Er und seine Kämpfer sollen zudem Zivilisten getötet haben. »Diese Anschuldigungen aus Serbien sind rein politisch«, sagte Haradinaj am Donnerstag bei einer Anhörung vor dem Berufungsgericht in Colmar. »Was Sie hier machen, ist Rechtsmissbrauch.« Seine Anwältin bezeichnet den von der internationalen Polizeibehörde Interpol verbreiteten Haftbefehl als »illegal«. Das UN-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag hatte Haradinaj 2008 und 2012 in zwei Prozessen freigesprochen.

Er verließ das Berufungsgericht von Colmar am Donnerstag als freier Mann. Er wurde aber unter Justizkontrolle gestellt und muss in Erwartung eines Auslieferungsverfahrens in Frankreich bleiben. Offiziell ist der Auslieferungsantrag Serbiens noch nicht eingetroffen. Bis der Antrag inhaltlich geprüft wird, dürften mehrere Wochen vergehen.

Kosovo hatte sich 1999 nach einem Sezessionskrieg von Serbien abgespalten. In dem Konflikt wurden mindestens 13 000 Menschen getötet. Haradinaj, für viele Kosovaren ein Kriegsheld, wurde im Dezember 2004 zum ersten Regierungschef Kosovos gewählt. Nach hundert Tagen im Amt trat er zurück, um sich den Vorwürfen des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag zu stellen.

Heute ist er Abgeordneter und politischer Gegner des kosovarischen Präsidenten Hashim Thaci. Der Streit um die Kriegsverbrechervorwürfe gegen ihn ist eine weitere Belastung für das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Serbien und Kosovo. AFP

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal