Wo ist Platz für 400 000 Jahre Geschichte?

Weimar will Archäologisches Landesmuseum behalten

  • Antje Lauschner, Weimar
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Archäologische Landesmuseum Thüringens in Weimar platzt aus allen Nähten und braucht dringend mehr Raum - für Ausstellungen, Depot und Forschung. »Uns sind in dem historischen Haus Grenzen gesetzt. Wir müssen uns zwingend vergrößern«, sagt der Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie, Sven Ostritz. Jedes Jahr kämen allein durch die Grabungen mehrere Kubikmeter an Fundstücken hinzu. Hinter den 300 000 Inventareinträgen würden sich mehrere Millionen Objekte in den Archiven verbergen. Die Archäologen gehen von 30 000 archäologischen Fundstätten im Land aus.

Die Dauerausstellung im Ur- und Frühmuseum sei gut, aber die 1000 Quadratmeter Ausstellungsfläche sehr begrenzt, sagt der Landesarchäologe. »So können wir von den Schätzen nur sehr wenig zeigen.« Unter den mehr als 3000 gezeigten Exponaten zum Alltag der Vorfahren dominiere die frühe Geschichte und Landesgeschichte, wie die Funde des Homo erectus bei Bilzingsleben.

Das Mittelalter komme zu kurz, bedauert Ostritz. Viele Neufunde aus dieser Zeit könnten so im Museum für Ur- und Frühgeschichte nicht gezeigt werden, obwohl gerade aus Baugruben in Innenstädten oder entlang von Trassen in den vergangenen Jahren viel Interessantes geborgen worden sei. Der Anspruch bestehe jedoch, archäologische Zeugnisse aus der gesamten rund 400 000 Jahre alten Siedlungsgeschichte in Thüringen zu präsentieren.

Die Geschichte des Museums reicht bis auf die 1888 gegründete »Naturwissenschaftliche Gesellschaft zu Weimar« zurück. Sie eröffnete 1892 in wenigen Räumen des repräsentativen Gebäudes von 1790/91 eine erste Ausstellung. Dort waren unter anderem die spektakulären Funde aus einem Steinbruch von Ehringsdorf bei Weimar zu sehen. Sie stammen von Neandertalern, die dort vor etwa 230 000 Jahren lebten. 1921 entstand das »Museum für Vorgeschichte«, das heutige Ur- und Frühmuseum für Thüringen. Über die Jahre wurde der Platz knapp.

In dem Haus sitzt auch Landesarchäologe Ostritz samt Mitarbeitern - Spezialisten von der Altstein- bis in die Neuzeit. Dort bündeln sich Erfassung und wissenschaftliche Auswertung und Restaurierung der teils jahrtausendealten Funde. Die Experten brauchen Labore und Werkstätten.

Das Land Thüringen brachte 2016 einen Umzug des Museums in die Defensionskaserne auf den Petersberg nach Erfurt ins Gespräch. Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff (LINKE) sprach im Oktober auf dem Verbandstag des Thüringer Museumsverbandes in Greiz von einem »Museum für Thüringer Landesgeschichte«, das mehr umfassen müsse als das heutige archäologische Museum. Es könnte nach der Bundesgartenschau 2021 realisiert werden.

Nach Angaben von Erfurts Kulturdirektor Tobias J. Knoblich verhandeln derzeit Land und Stadt Erfurt über einen möglichen Umzug des Museums aus der Klassikerstadt in die Landeshauptstadt. Die Stadt Weimar ist strikt dagegen. »Da es keine städtische Einrichtung ist, haben wir aber keine Verfügungsgewalt«, sagte Stadtsprecher Andy Faupel. Der Landesarchäologe Ostritz wartet derweil auf die Machbarkeitsstudie. »Erst wenn die vorliegt, kann ich Für und Wider beurteilen.« dpa/nd

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