Grüne wollen Wählbarkeit von Straftätern erschweren

Der Fall des Gubener Ex-Bürgermeisters Hübner soll Anlass für eine Gesetzesnovelle sein - Hübner selbst wäre davon wohl nicht betroffen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

In Guben (Spree-Neiße) wurde Klaus-Dieter Hübner 2016 zum hauptamtlichen Bürgermeister wiedergewählt. Und das, obwohl ihn ein Gericht zuvor der Korruption schuldig gesprochen hatte und er aus dem Amt entfernt worden war. Die Gubener hatten sich davon nicht beirren lassen, Hübner bekam 57,8 Prozent der Stimmen.

Möglich war dies, weil das geltende Kommunalgesetz auch überführten Straftätern die Kandidatur nicht ausdrücklich untersagt. Mögliche Konsequenzen für die Kommunalgesetzgebung waren Gegenstand einer Anhörung am Donnerst im Innenausschuss des Landtages. Nahezu alle Beteiligten waren sich dabei einig, dass eine angestrebte Änderung keine »Lex Hübner« sein dürfe. Während die Experten das Thema aus juristischer Sicht erörterten, hatten die Mitglieder des Landtagsausschusses auch die Stimmung in der Bevölkerung zu berücksichtigen, die gegenüber »denen da oben« derzeit nicht besonders günstig ist.

Die Grünen schlugen nun eine Gesetzesänderung vor, die Straftätern in den folgenden fünf Jahren nach der rechtskräftigen Verurteilung untersagt, bei einer Wahl zum hauptamtlichen Bürgermeister anzutreten. Das soll zumindest bei schweren Delikten gelten. Dem widersprach Wilfried Kirkes von der Vereinigung der brandenburgischen Verwaltungsrichter. Es gebe im Moment keine Regelungslücke, sagte Kirkes. Ein Bewerber, dem bei seiner Verurteilung die Wählbarkeit nicht aberkannt wurde, sei wählbar. »Wenn die Bevölkerung entscheidet, einem verurteilten Straftäter ein Amt anzuvertrauen - wer darf dann festlegen, dass das nicht geht?«, fragte der Richter. »Die Disziplinarbehörde? Der Richter?« Man könne jedenfalls nicht mit einem »hohen Verdruss der Bevölkerung« argumentieren, denn dieser könne auch entstehen, wenn ein mehrheitlich gewählter Bewerber aus seinem Amt abgerufen werde.

Dass eine Gesetzesänderung, wenn man sie beschließe, keine Auswirkungen auf den Fall Hübner haben wird, darüber waren sich die Experten einig. »Das Gesetz regelt Wählbarkeitsvoraussetzungen, die zum Zeitpunkt der Wahl gelten müssen«, sagte Thorsten Ingo Schmidt von der Potsdamer Universität. Es könne nicht Kandidaten betreffen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits gültig gewählt sind.

Fachanwalt Klaus Herrmann verwies darauf, dass in Brandenburg Hauptverwaltungsbeamte, zu denen hauptamtliche Bürgermeister zählen, auch in anderen Fällen Probleme mit der Strafjustiz hätten. Das Problem sei, dass gerade sie als Führungskräfte zuständig seien, in ihren Verwaltungen die Einhaltung von Standards durchzusetzen. Deshalb müssten besondere Standards für sie gelten. Aus diesem Grund halte er eine Gesetzesänderung für angezeigt. Es sei ein »demokratisches Defizit«, dass der jetzige Zustand dem Wähler vorgaukle, dass man einen Vorbestraften wählen könne, obwohl klar sei, dass der die Amtsgeschäfte nicht ausüben könne. Das Verwaltungsgericht Cottbus sei an der verfahrenen Situation nicht völlig schuldlos, so Herrmann. Es hatte bei Hübners erneuter Kandidatur dem Landkreis untersagt, die Bürger darüber zu informieren, dass der Ex-Bürgermeister das Amt nach einem Wahlsieg nicht ausüben darf und suspendiert werden müsse.

Verwaltungsrichter Kirkes hielt da᠆gegen. Sollte im Suspendierungsfall Hübner den Rechtsweg beschreiten, sei angesichts der Überlastung der Gerichte in etwa fünf Jahren mit einer Entscheidung zu rechnen. Dann aber wäre auch die im Gesetzentwurf vorgesehene Verbotsfrist verstrichen.

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