nd-aktuell.de / 16.01.2017 / Kultur / Seite 14

Gäste, die sich am Getränk festhalten

Robert Rescue

Ich werde immer misstrauisch, wenn Leute in die Kneipe kommen und als erstes nach dem WLAN-Passwort fragen. Ich meine, die meisten haben vorrangig das Interesse, ihren Durst zu löschen, und in der Regel sind die Leute in Begleitung und wollen sich unterhalten.

Die beiden vor mir gehören zu den Ausnahmen. Sie spricht Deutsch, er nicht. Ich sage ihr das Passwort, aber sie versteht mich nicht. Aber es ist auch nicht einfach - »baffdebaff«. Das »baff« nicht wie das englische »buff«, sondern mit »a«, und das »de« wie die Abkürzung von Deutschland. So betrachtet, ein unsicheres Passwort, weil ohne Zahlen, Großbuchstaben und Unterstriche.

Sie schaut mich ratlos an. Also schreibe ich es ihr auf. Beide loggen sich ein. Dann studieren sie die Getränkekarte und bestellen etwas, das so nicht auf der Karte steht. Sie möchte Kahlua mit Wodka. Wer zum Teufel trinkt denn so was? Vermutlich ist das irgendein neues Trendgetränk in den Bars von Mitte und Kreuzberg, von dem wir im Wedding noch nichts gehört haben.

Als ich zum Eiseimer greifen will, winkt sie ab. Aber ohne Eis ist das Zeug doch überhaupt nicht genießbar! Also nehme ich beide Flaschen, kippe das Zeug zusammen und reiche es ihr. Für ihren Begleiter bestellt sie Wodka mit Bitter Lemon. Ich verstehe sie wieder nicht, was sicherlich an dem Kaugummi liegt, den sie kaut. Ich höre nur »Bourbon« und »Karamell«. Erst beim dritten Mal verstehe ich sie und wiederhole die Prozedur. Da die Getränke in der Kombination nicht auf der Getränkekarte stehen, entschließe ich mich, Phantasiepreise zu berechnen. Sie beschweren sich nicht. Als sie einen Platz gefunden haben, stelle ich mich an den Computer und recherchiere. Bei der Suche nach »Kahlua+Wodka« stoße ich nur auf Rezepte für White Russian. Fehlen nur Eiswürfel und Milch. Wollte sie den? Warum hat sie nichts gesagt? Ich schaue mich weiter um. Napoleon Noir kann es nicht gewesen sein, da hätte sie Cognac statt Wodka verlangen müssen. Muddy Water klappt auch nicht, dazu braucht es Sahnelikör. Und zu allen Drinks wird Eis gereicht. Ich schaue zu den beiden, die es sich auf dem Sofa am Fenster bequem gemacht haben.

Sie haben ihre Ladekabel in Steckdosen gesteckt, laden ihre Smartphones auf und surfen dabei. Sie sitzt auf der linken Seite und er auf der rechten. Womöglich beschweren sie sich gerade auf irgendwelchen Bewertungsportalen über meine Fähigkeiten als Barkeeper. Später schaue ich immer mal zu ihnen. Keine Veränderung. Sie reden nicht ein Wort miteinander. Eine Stunde lang nicht, bis ihre Gläser leer sind. Eine Stunde, in der sie ruhig eins, zwei weitere Getränke hätten bestellen können. Auch nicht auszuhalten: Gäste, die sich an ihrem Getränk festhalten anstatt zu zechen. Sie stöpseln die Ladegeräte ab und gehen. Kein Wort, außer der Getränkebestellung. Warum haben sie sich getroffen, wenn sie nichts zu bereden haben?

Wahrscheinlich bin ich zu alt, um das verstehen zu können.