Zu lange weggeschaut

Fabian Lambeck über Ditib-Spitzeleien und die deutsche Politik als Mitwisser

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 1 Min.

Ist der Islamverband Ditib der verlängerte Arm der türkischen Regierung? Die deutsche Politik gibt sich entsetzt und überrascht, nachdem bekannt wurde, dass Ditib-Imame in Deutschland spionierten und die Regierung in Ankara mit Informationen über hier lebende Anhänger des in Ungnade gefallen Predigers Fethullah Gülen versorgten. Diese Überraschung wirkt unglaubwürdig. Schließlich ist seit mehr als zwei Jahrzehnten bekannt, dass die von Ankara direkt bezahlten Imame auch Berichte über das hiesige Gemeindeleben verfassen und diese türkischen Behörden zukommen lassen.

Bereits 1994 hatte der »Focus« diese Spitzeleien aufgedeckt. Die deutschen Sicherheitsbehörden, und damit auch die politisch Verantwortlichen, waren informiert - und sahen weg. Schließlich war Ankara ein NATO-Bündnispartner. Die türkischen Regierungen in den 90ern waren noch weitgehend säkular und pro-westlich. Doch die Zeiten haben sich geändert.

Dass Erdogans AKP unter den hier lebenden Türken bessere Wahlergebnisse erzielt als am Bosporus selbst, ist auch Beleg für den Einfluss, den Ditib hier hat. Man hätte viel früher darauf drängen sollen, dass sich der Islamverband von Ankara unabhängig macht und nach anderen Wegen sucht, die Imame zu auszubilden und zu entlohnen. Als verlängerter Arm des Autokraten Erdogan kann Ditib jedenfalls kein verlässlicher Partner sein.

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