Schallschutz versperrt Weg ins Ehebett

Den Kauf ihres Eigenheims Am Stechberg in Blankenfelde finanzierten Karl-Heinz und Rita Targiel mit einem Kredit. Um ihn abzuzahlen, machten sie Abstriche beim Urlaub. Nun sehen der 64-jährige Mann und seine 63-jährige Frau ihre Lebensleistung entwertet. Am Montag befasst sich der Flughafensonderausschuss des brandenburgischen Landtags mit ihrem Fall und mit fünf weiteren. Dabei geht es unter anderem darum, ob auch für kleine und für niedrige Räume Schallschutzmaßnahmen bezahlt werden.

Alle Fälle stehen jeweils beispielhaft für Probleme mit dem Schallschutz am künftigen Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld, erläutert Christine Dorn, Vorsitzende des Bürgervereins Brandenburg-Berlin.

Die Targiels leben in einer Einflugschneise und haben Anspruch auf Schallschutz. Doch die Flughafengesellschaft FBB will die Lärmdämmung innen anbringen. Das reduziert die jetzt 105 Quadratmeter Wohnfläche erheblich, kritisiert Radartechniker Karl-Heinz Targiel, der früher bei der DDR-Fluggesellschaft Interflug und bei der Bundesanstalt für Flugsicherung gearbeitet hat. Er erklärt: In die Küche würden die Möbel nicht mehr hineinpassen. Steckdosen müssten neu angebracht, drei schwere Heizkörper aus Gusseisen versetzt und Rohre anders verlegt werden. Im Schlafzimmer würde es so eng werden, dass die Eheleute nur noch von einer Seite ins Doppelbett steigen könnten. »Bei der vorgeschlagenen Innenschallisolierung wird unsere Wohnqualität beeinträchtigt«, beklagt Karl-Heinz Targiel. Bei ihm und anderen Anwohnern soll der Wohnflächenverlust zwischen fünf und 17 Prozent liegen.

Das Eigenheim sei, so erläutert Targiels Sachbeistand Eckard Bock, eine typische Doppelhaushälfte in der alten Siedlung der Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Heimstätten (Gagfah), in der 800 Häuser stehen. »Alles müsste aufgerissen werden. Ich kenne niemanden in der Gagfah-Siedlung, der das mit sich hat machen lassen«, sagt Ingenieur Bock. In Tausenden anderen Fällen sei die Situation ähnlich. Gewünscht wird eine Schalldämmung außen, die zwar teurer wäre, aber auch besser vor Fluglärm abschirme, wie Bock betont.

Das bezweifelt Ralf Wagner, Leiter der FBB-Schallschutzabteilung: »Wenn Herr Bock seine Wahrheit hat, wir vertreten eine andere Auffassung.« Er könne verstehen, wenn Anwohner die Verkleinerung der Räume bedauern, sagt Wagner. Doch die FBB schulde nur den Lärmschutz. Werde eine Außendämmung gewünscht, müsste man die Kosten teilen.

Mehrere Anwohner reagieren ärgerlich. »So ein Arsch«, schimpft einer leise. »Es gibt nicht den besten Schallschutz, sondern den billigsten«, fasst der Abgeordnete Axel Vogel (Grüne) zusammen. Seiner Ansicht nach müsste politisch entschieden werden, ob das wirklich so sein soll.

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