Warum Le Pen vorne liegt

Die Front National will den starken Staat - aber Umverteilung nicht für alle

  • Marian Krüger
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach einer aktuellen Umfrage des Ipsos-Instituts darf die Kandidatin der rechtsextremen Front National (FN), Marine Le Pen, derzeit auf 25 bis 26 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahlen hoffen. Damit liegt sie knapp vor dem konservativen Republikaner, Francois Fillon, der auf 24 bis 25 Prozent käme. Diese Umfrage unter 15 000 Franzosen, die in der vergangenen Woche in der Zeitung »Le Monde« veröffentlicht wurde, zeigt auch, dass Le Pen vor allem auf Kosten der Sozialisten gewinnt, deren Kandidaten derzeit noch mit maximal zehn Prozent rechnen dürfen.

Seit Monaten sagen die meisten Institute ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Le Pen und Fillon voraus. Doch bislang gibt es keine Prognose, dass Le Pen gegen irgendeinen Kandidaten der großen Parteien im zweiten Wahlgang obsiegen würde. Selbst dem unbeliebten sozialistischen Ex-Premier Manuel Valls wird ein knapper Sieg prognostiziert. So lange das französische Lagerwahlsystem intakt ist, hat Le Pen trotz neuer Stärke keine Chance auf den Einzug in den Élysée-Palast.

Dennoch segelt Le Pen keineswegs nur auf einer Welle der Fremdenfeindlichkeit und EU-Ablehnung. Ihr Vordringen in die Milieus der Arbeiter, Arbeitslosen und Rentner beruht auch auf einer starken sozialen Profilierung bereits im Programm von 2012. Damit wird die FN keineswegs zur linken Partei. Was die FN jedoch von anderen rechten Parteien wie der AfD unterscheidet, ist, dass sie sich programmatisch in der Sozialpolitik links von ihnen positioniert, ebenso wie bei den Themen Regulierung und öffentlicher Dienst. Und mit der Forderung, die Zentralbank wieder unter Staatsaufsicht zu stellen, treibt das Programm der FN Konservative wie Neoliberale in der AfD endgültig auf die Palme. Alexander Gauland etwa wird nicht müde, vor der »sozialistischen« FN zu warnen.

Aber mit welchen sozialen Forderungen punktet die FN bei den Wählern? Der gesetzliche Renteneintritt ab 60 Jahren soll wieder hergestellt werden, allerdings nur für diejenigen, die 40 Jahre gearbeitet haben. Die Strom- und Gastarife sollen »sofort« um fünf Prozent gesenkt werden. Die Benzinpreise sollen ebenfalls sinken, refinanziert durch eine stärkere Besteuerung der Energieunternehmen. Alle Gehälter bis 1500 Euro sollen gesetzlich um 200 Euro aufgestockt werden, finanziert durch eine Sozialabgabe auf Importe. Letzteres ist aber nichts weiter als eine Subventionierung des Niedriglohnsektors mit anderen Mitteln als in Deutschland.

Mit diesen Positionen konnte sie schon 2012 im ersten Wahlgang auf 18 Prozent kommen. Der Vormarsch in das Arbeitermilieu wäre ohne die sozialen Versprechen ebenso wenig gelungen, wie der aktuelle Sprung auf 25 Prozent. Fremdenfeindlichkeit und EU-Bashing reichten dazu nicht aus.

Ist die FN deswegen eine Partei, die programmatisch auf die Stärkung des Sozialstaates zielt? Nein. Und zwar deshalb, weil die Staatseingriffe nicht auf Umverteilung zu Gunsten der Schwächsten zielen. Ganz vorne im Programm steht: Die »Wiederherstellung eines starken Staates« (la restauration d’un Etat fort). Das schließt nicht nur einen Bruch mit der Politik der Liberalisierung und Marktöffnung im Bereich der öffentlichen Dienste ein, sondern eben auch Eingriffe in Löhne und Preise. Die Zentralbank soll deswegen wieder der Kontrolle des Staates unterstellt werden, um den Zinssatz nicht mehr den Märkten zu überlassen. Aber: Der starke Staat soll nicht nur illegale und arbeitslose Migranten ausschließen und aussortieren, auch alle »rückfälligen Sozialbetrüger« sollen den Anspruch auf soziale Hilfen verlieren. In der Schule soll es künftig vor allem um Disziplin gehen, »Pädagogismus« wird abgelehnt. Zur Unterstützung der inneren Sicherheit soll eine 50 000 Mann starke Nationalgarde aufgestellt werden. Insgesamt ist das eine repressive, militarisierte Innenpolitik, kombiniert mit sozialer Apartheid.

In dem für Februar avisierten Wahlprogramm der FN für 2017 darf man auf eines besonders gespannt sein: Die Antwort auf die europäische Frage. Der Brexit hat zwar die Rechtsextremen weiter angespornt, Mehrheiten gewinnt man damit auf dem Kontinent aber nicht. Marine Le Pen weiß das genau - trotz aller Austritts-Rhetorik.

Der Autor ist Referent bei der Bundestagsfraktion der Linkspartei.

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