Muslime, Perser, Bolschewiken

  • Annette Schneider-Solis
  • Lesedauer: 2 Min.

Seit dem Mittelalter ist das Wort Tadschik in iranischen und turksprachigen Regionen der muslimischen Welt eine von mehreren Bezeichnungen für Perser. Es entwickelte sich aus dem Namen des arabischen Stammes Tayyi, der sich nach der muslimischen Eroberung Persiens in Mittelasien niedergelassen hatte. Als Mittelasien von Türken und Mongolen erobert wurde, verwendete man den Namen zunächst für alle Muslime, später speziell für die persischsprachige und iranische Bevölkerungsmehrheit der Region. Heute wird Tadschik für die persischsprachige Bevölkerung Mittelasiens, vor allem des nach ihnen benannten Tadschikistan verwendet.

Vom 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung an wurde das Gebiet des heutigen Tadschikistan von Persern und Saken beherrscht, etwa ab 330 v. u. Z. gehörte es zum Reich Alexanders des Großen. Der Islam wird hier seit dem 8. Jahrhundert praktiziert. Im Mittelalter gehörte Tadschikistan zum Kaiserreich Persien, ab 1868 war es Kolonie Russlands.

1922 wurde Duschanbe von den Bolschewiki erobert und zur Hauptstadt der Tadschikischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik gekürt, die zunächst noch Teil der Usbekischen Sowjetrepublik, ab 1929 eigenständige Sowjetrepublik war. Einen großen Einschnitt für Tadschikistan bedeutete die von Michail Gorbatschow eingeleitete Perestroika. Am 9. September 1991 erklärte Tadschikistan seine Unabhängigkeit. Zum ersten Präsidenten wurde der Kommunist Rahman Nabijew gewählt.

Nach einem blutigen Bürgerkrieg bis Juli 1997 wurden Islamisten in die Regierung eingebunden. Vier Jahre später schloss Tadschikistan einen Sicherheitspakt mit Russland, Belarus, Kirgisistan und Kasachstan.

Bei den Parlamentswahlen 2015 verlor die Partei der Islamischen Wiedergeburt (PIW) ihre letzten beiden Sitze im Parlament. Internationale Beobachter stuften diese Wahlen als »nicht frei und undemokratisch« ein. Im September 2015 wurde die PIW für einen Überfall auf einen Militärstützpunkt verantwortlich gemacht und als terroristische Vereinigung verboten. Bis dahin war Tadschikistan das einzige postsowjetische Land mit einer legal handelnden islamischen Partei.

2011 wurden zur Beilegung eines Jahrhunderte andauernden Grenzstreits mit China 1100 Quadratkilometer unbewohntes Pamirhochland an die Volksrepublik übertragen. Nach dem 11. September 2001 wurden in Chorugh US-Truppen und in Duschanbe französische Soldaten stationiert. Russland ist mit seinen Truppen weiterhin als Ordnungsmacht vor Ort.

Laut einer Erhebung der Weltbank leben 47 Prozent der Bevölkerung in dem landwirtschaftlich geprägten Tadschikistan unter der Armutsgrenze. Von den acht Millionen Einwohnern arbeitet circa eine Million im Ausland, vor allem in Russland, und erwirtschaftet etwa die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts (2014 ca. 3,8 Milliarden US-Dollar). Die westlichen Sanktionen gegen Russland wirken sich auch negativ auf die wirtschaftliche Situation in Tadschikistan aus.

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