Waffenstillstand und Platzkämpfe der Islamistenmilizen

Radikale Verbände in der syrischen Provinz Idlib weiter uneinig / Präsident Assad traf US-Kongressabgeordnete

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 3 Min.

Der in der kasachischen Hauptstadt Astana vereinbarte Waffenstillstand hält, obwohl neue Kämpfe gemeldet werden. Die Aussage ist dennoch richtig, weil die bewaffneten Formationen, die sich derzeit Gefechte liefern, nicht in Astana vertreten waren. Sie werden als Terrorgruppen betrachtet, sowohl von der syrischen Regierung und Russland als auch den westlichen Staaten. Das heißt, dass sie auch während des Waffenstillstandes weiter militärisch bekämpft werden können, ohne dass die Feuerpause als verletzt gilt. Im Moment bekämpfen sie sich außerdem untereinander.

In der nordöstlichen, türkeinahen Provinz Idlib stehen sich die radikal-islamische Gruppe Ahrar al-Scham (»Bewegung der freien Männer der Levante«) und die Dschabha Fatah al-Scham (»Front zur Eroberung der Levante«, früher Nusra-Front) gegenüber. Ahrar al-Scham ist eine salafistische Miliz, die bereits seit Oktober 2011 mit geschätzt 15 000 bis 20 000 Kämpfern im Krieg mit der Regierung steht. Fatah al-Scham wird als gleichstark angesehen.

Die Revierkämpfe machen deutlich: Die heimlichen staatlichen Unterstützer der Milizen in den Monarchien am Persischen Golf sind sich nach wie vor nicht einig in ihrer ansonsten unveränderten Strategie zum Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und seiner multireligiös bis weltlich orientierten Staatsordnung. Außerdem scheint die Armee auf die Provinz Idlib weiter keinerlei Zugriff zu haben. Dies erklärt auch, warum sich die meisten Rebellen, die aus der von Assads Truppen rückeroberten Großstadt Aleppo freien Abzug erhielten, nach Idlib wandten.

Idlib dürfte auch eine der Regionen in Syrien sein, die neue US-Administration von Präsident Donald Trump im Blick hatte, als sie erstmals von ihrer Syrien-Politik sprach. Trump, so hieß es, strebe »Sicherheitszonen für Flüchtlinge in Syrien« an. Die österreichische Agentur APA berichtete am Donnerstag, im Entwurf eines Erlasses, den Trump in den kommenden Tagen unterzeichnen wolle, würden das Außen- und das Verteidigungsministerium angewiesen, binnen 90 Tagen Pläne für Sicherheitszonen zu erstellen.

Was sich genau dahinter verbirgt, außer dass man keine Flüchtlinge aus Syrien mehr aufzunehmen gedenkt, dürfte vor allem Russland interessieren. Sollte es die Neuauflage der vor allem von Frankreich verlangten Flugverbotszone unter anderem Namen sein, liefe dies auf einen Luftkrieg der NATO wie 2011 gegen Libyen hinaus und eine drohende Konfrontation mit Russland.

Es gibt aber auch Zeichen, die nicht auf diesen Konfrontationskurs hindeuten, z. B. das Treffen der US-Kongressabgeordneten Tulsi Gabbard am Mittwoch mit Assad. Gabbard ist zwar Demokratin, hat aber in der Vergangenheit nicht die Syrien-Politik »ihres« Präsidenten Barack Obama, sondern Vorstellungen geäußert, die denen von Trump deutlich näher standen. Die Türkei, die sich schon seit Beginn des Syrien-Konflikts für Sicherheitszonen ausspricht, werde abwarten, welche konkreten Empfehlungen die von Trump genannten Pläne enthielten, sagte ein Sprecher des türkischen Außenministeriums am Donnerstag.

Gabbard traf Trump übrigens bereits kurz nach seiner Wahl und erklärte sich auch danach als Gegnerin von Militärinterventionen. Die Demokratin, die für Hawaii im Repräsentantenhaus sitzt, hielt sich laut dpa für eine Woche in Libanon und Syrien auf. Neben Assad traf sie sich nach eigenen Angaben mit Flüchtlingen, Mitgliedern der Opposition und Kirchenvertretern.

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