Sigmund Jähn als Räuchermann

Im Geschenkelager der Sächsischen Staatskanzlei finden sie viele Seltsamkeiten

  • Jörg Schurig, Dresden
  • Lesedauer: 5 Min.

Raum 335 in der Sächsischen Staatskanzlei ist ein geschichtsträchtiger Ort - obwohl er nur als Lager ausgewiesen ist. Hier wird alles aufbewahrt, was die Ministerpräsidenten des Freistaates seit der Wende an Geschenken erhielten - von Staats- oder Regierungschefs genauso wie von Vereinen, Verbänden, Firmen oder Otto Normalverbraucher. Pokale, Gemälde, Geschirr, Münzen, Skulpturen, Bücher oder Gewänder - ein sächsischer Regierungschef wird reich beschenkt, auch wenn ihm die Sachen nur in seiner Eigenschaft als Ministerpräsident gehören. Wenn er eines Tages die Staatskanzlei verlässt, »vererbt« er die Dinge seinem Nachfolger.

»Wenn er etwas behalten möchte, müsste er das dem Freistaat abkaufen«, sagt Markus Franke, Protokollchef der Staatskanzlei. So hatte es Sachsens erster Nachwende-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) getan. Im Januar 2000 erhielt er zum 70. Geburtstag eine 71 000 Euro teure Uhr. Uhrmacher der Manufaktur Glashütte Original hatten den noblen Zeitmesser in ihrer Freizeit gefertigt. Das löste damals eine Debatte über die Zulässigkeit solch wertvoller Gaben aus. Biedenkopf trug die Uhr bis zum Ende seiner Amtszeit 2002 als Dauerleihgabe und erwarb sie später zum Materialwert von mehr als 5000 Euro - zu diesem Preis praktisch geschenkt.

Der Austausch von Geschenken ist so alt wie die Menschheit. Auch in der Diplomatie sind Gaben für den Gastgeber oder Gast ein übliches Gebaren. Viele Präsente für frühere sächsische Kurfürsten werden zum Beispiel in der Schatzkammer Grünes Gewölbe aufbewahrt. »Früher waren es die Könige, heute sind es die Ministerpräsidenten«, sagt Franke nüchtern. Besonders repräsentative Stücke würden manchmal das Büro von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) schmücken. Derzeit gebe es auch Überlegungen, eine Auswahl schöner Sachen in Vitrinen in der Staatskanzlei auszustellen, so wie es auch im Kanzleramt geschieht. Allerdings habe man noch keinen geeigneten Platz gefunden.

In der Asservatenkammer lagern etwa 2000 Objekte. Alle sind mit einer Nummer versehen. Manche erhalten das Prädikat »politisch bedeutsam« und werden dann mit einem roten Punkt markiert. Seltener besteht die Gabe aus Lebensmitteln, dann muss sie bei Gelegenheiten wie der Weihnachtsfeier in der Staatskanzlei verspeist werden. Im Lager befindet sich beispielsweise noch ein Präsentkorb des Landes Hessen, den Tillich bei der Übernahme der Bundesratspräsidentschaft im Oktober 2015 in Frankfurt am Main erhielt. Der Korb ist je nach Betrachtungsweise halb voll oder halb leer. Nur ein paar Flaschen mit Gespritztem und anderen Alkoholika sind noch übrig.

Der Wert der Geschenke lässt sich kaum schätzen. Vieles dürfte als Liebhaberstück durchgehen. Aus Russland stammt ein goldglänzender Miniaturpanzer. Das Raumfahrtmuseum Morgenröthe-Rautenkranz schenkte einen Räuchermann, der Sigmund Jähn - dem ersten Deutschen im All - nachgebildet ist. Der Deutsche Anglerverband bescherte einen prächtigen Lachs aus Kunststoff, als Dank für die erfolgreiche Wiederansiedlung des Fisches in der Elbe. Das schwedische Königspaar hinterließ ein Foto von sich. Als bisher letztes Gastgeschenk brachte der Ministerpräsident Flanderns, Geert Bourgeois, ein Buch über Kaiser Karl V. mit. Der gilt als früher Pionier der europäischen Idee.

Aus dem Morgenland stammt ein Uhrenturm aus Messing und Mahagoni - Tillich erhielt ihn 2010 von Studenten der Khalifa-Universität in Abu Dhabi. Thailands Prinzessin Chulabhorn brachte 1999 einen silbernen Elefanten und damit das Nationalsymbol des asiatischen Königreiches mit. Die frühere niederländische Königin Beatrix beschenkte Tillich 2011 mit einem Teller aus Delft. Lehrlinge aus Polen überreichten Biedenkopf 2001 zwei historische Pistolen. Der senegalesische Präsident Macky Sall ließ 2012 einen Teppich in Dresden zurück. Eine weiteres Präsent aus Afrika, eine Maske, sollte Biedenkopfs Nachfolger Georg Milbradt (CDU) 2006 vor bösen Geistern schützen.

Milbradt bekam im Herbst 2007, als die Krise um die Landesbank Sachsen ihren Höhepunkt erreichte, von der japanischen Firma Nagano Keiki einen großen Daruma geschenkt - einen Glücksbringer. Er soll bei der Erfüllung von Wünschen helfen und hat anfangs keine Augen. Zunächst wird eines davon ausgemalt. Wenn sich der Wunsch erfüllt, muss der Glückliche das zweite Auge ebenfalls vollenden, was in Dresden auch geschah. Ob Milbradt selber zum Pinsel griff, ist nicht bekannt. Etwa ein halbes Jahr später gab er sein Amt auf.

Seither geistert der Daruma hier mit einem unvollendeten Schicksal herum. Denn normalerweise werden die Figuren aus Pappmaché verbrannt. »Je weiter man in den Osten kommt, desto ›goldener‹ werden die Geschenke«, sagt Franke. Manche Präsente erinnern auch an Misserfolge ihrer Geber - zum Beispiel an Firmen, die mit viel Hoffnung nach Sachsen kamen, dann aber ihre Produktion wieder aufgaben. Drei Mal hat die Staatskanzlei bereits Geschenke versteigert, darunter Uhren, Münzen, Schnitzkunst, Wein und eine Karikatur des Kabinetts, erzählt Pressechef Ralph Schreiber. Die Erlöse seien sozialen Projekten zugute gekommen. Die öffentliche Versteigerung ist freilich eine delikate Angelegenheit: »Wir haben gehört, dass ein Schenkender etwas verärgert war.«

Wenn Tillich verreist, nimmt er gleichfalls Geschenke für mit. Oft sind es Waren aus den staatseigenen Betrieben Porzellan-Manufaktur Meissen oder dem Weingut Schloss Wackerbarth. Papst Franziskus erhielt unlängst einen Schwippbogen und einen Herrnhuter Stern, Ex-US-Präsident Barack Obama Manschettenknöpfe aus Meissner Porzellan. Manchmal gilt es kulturelle Besonderheiten zu berücksichtigen. »In asiatischen Ländern beispielsweise ist Weiß die Farbe des Todes. Da schenkt man kein weißes Porzellan«, sagt Franke. Beim schwedischen Königspaar lag man farblich auf jeden Fall richtig: Es bekam einen Schal in den Landesfarben Blau und Gelb. dpa/nd

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