Das rechte Lager hat die besten Chancen

Prognosen sehen Marine Le Pen und François Fillon als Favoriten für die Stichwahl im Mai

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Über der für April anstehenden französischen Präsidentschaftswahl lastet der Schatten von 2002. Damals landete der linke Kandidat Lionel Jospin im ersten Wahlgang nur auf dem dritten Platz. Jean-Marie Le Pen, Parteichef der Front National (FN), und der konservative Jacques Chirac kamen in die Stichwahl. Seinerzeit kam das völlig überraschend, doch diesmal kann niemand sagen, er habe nicht gewusst, dass es Marine Le Pen bis in den zweiten Wahlgang schaffen kann.

Die Tochter des mit seinen antisemitischen Ausfällen zur Altlast gewordenen und daher ins Abseits gedrängten Parteigründers hat auch die glatzköpfigen Schlägertypen ausgeschlossen. In jeder Weise hat sie an der Aufbesserung des Images der FN gearbeitet, um sie als »eine Partei wie jede andere« darzustellen. Dass ihr jüngste Umfragen für den ersten Wahlgang mit 25 Prozent der Stimmen die besten Aussichten aller Kandidaten voraussagen, zeugt vom Erfolg ihrer Bemühungen.

Vor allem jedoch haben ihr die hohe Arbeitslosigkeit, die sich ausbreitende Armut und das angesichts dessen hilflose Agieren der Regierung unter dem sozialistischen Präsidenten François Hollande in die Hände gespielt. Davon zeugt, dass die FN besonders erfolgreich in den Krisenregionen im Norden und im Süden des Landes ist. Hinzu kamen Politskandale bei den Rechten wie bei den Sozialisten, die es ihr leicht machten, die bisher im Wechsel regierende politische Klasse pauschal an den Pranger zu stellen. Populistisch schürt Le Pen Vorbehalte und Ängste gegenüber ausländischen Einwanderern und fordert »Frankreich den Franzosen«. Sie kann inzwischen nicht nur auf ihre angestammten Wähler zählen, sondern auch auf viele Protestwähler, die früher links gewählt haben, aber nun enttäuscht sind.

François Fillon, der Kandidat der rechtsbürgerlichen Republikaner, ging nach seinem Sieg bei der Vorwahl als haushoher Favorit in den Wahlkampf. Inzwischen hat er jedoch schon viel Sympathie eingebüßt durch die Ankündigung brutaler Sparmaßnahmen wie den radikalen Abbau des Krankenversicherungsschutzes und die Entlassung einer halben Million Beamter. Außerdem stört viele Franzosen, die sich der laizistischen Republik verbunden fühlen, dass Fillon so penetrant seinen katholischen Glauben herausstellt und zweideutig erklärt, persönlich sei er gegen Schwangerschaftsabbruch, aber als Präsident würde er dieses Recht nicht antasten.

Angesichts der negativen Folgen solcher Äußerungen hat Fillon nachzubessern und zu korrigieren versucht. Aber der Schaden lässt sich nicht ungeschehen machen. Prognosen sehen ihn inzwischen nur noch bei 22 Prozent der Stimmen. Und dann kam noch eine Affäre hinzu: Vor wenigen Tagen ist der Verdacht laut geworden, er habe acht Jahre lang seine Ehefrau Penelope fiktiv als parlamentarische Assistentin beschäftigt. Die hübsche Summe von 500 000 Euro aus Steuermitteln soll ihr gezahlt worden sein. Wegen der »Job-Affäre« ermittelt gegenwärtig die Finanzpolizei. Doch ist es fraglich, ob es vor der Wahl noch zu einer Anklageerhebung kommt. Für diesen Fall hat Fillon den Rückzug seiner Kandidatur angekündigt.

Als Hauptgegner links von Fillon präsentiert sich Emmanuel Macron, Ex-Wirtschaftsminister unter Hollande. Dabei tritt er als Kandidat auf, der nichts von der Einteilung der politischen Landschaft in Links und Rechts wissen und »Politik ganz neu und anders« machen will. Wie das im Detail aussehen soll, ist unklar - zumal sein Programm noch in Arbeit ist. Wirtschafts- und sozialpolitisch steht er indes für einen neoliberalen Kurs. Er gilt als Mann im Hintergrund der Arbeitsrechtsreform, deren Devise lautet: »Mehr arbeiten, weniger verdienen, leichter entlassen«. Dennoch liegt er in Wahlumfragen bereits bei 21 Prozent. Auf den Meetings seiner Bewegung »En marche« (Auf dem Weg) bedient Macron sehr gekonnt die Erwartungen seiner Anhänger. Diese strömen ihm vor allem vom linken, aber auch vom rechten Spektrum zu und sind zu einer Protestwahl entschlossen, wollen aber nicht Marine Le Pen auf den Leim gehen.

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