Handwerk will gelernt sein

Niedersachsens Opposition klagt auffallend oft vorm Staatsgerichtshof - und hat meist Erfolg

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Justizpalast in Bückeburg, gebaut Ende des 19. Jahrhunderts, dürfte für Niedersachsens Regierende mittlerweile ein vertrautes Ziel sein. Das repräsentative Gemäuer ist Sitz des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs - und vor ihn hat die schwarz-gelbe Landtags-Opposition die rot-grünen Koalitionäre seit 2013 nun schon auffällig oft gezerrt. Und zumeist mussten SPD und Grüne mit einer Niederlage in der Tasche zurück nach Hannover fahren.

Die jüngste Klatsche aus Bückeburg hatte Rot-Grün einstecken müssen, als die Richter vor kurzem urteilten: Unrechtmäßig haben die Regierenden den Zeitraum ausgedehnt, den der sogenannte Islamismus-Ausschuss des Landtages untersucht. Jenes Gremium war von CDU und FDP beantragt worden. Es sollte prüfen, ob es seit 2013 Sicherheitslücken in der Bekämpfung radikaler Aktivitäten gegeben hat. Der Ausschuss wurde eingesetzt - aber, so die rot-grüne Order: Der Syrienkrieg habe schon im Jahr 2011 begonnen, deshalb müssten die Untersuchungen bereits jenes Jahr und auch 2012 ins Auge fassen. In diesem Zeitraum waren jedoch noch CDU und FDP in Hannover am Ruder.

Die schwarz-gelbe Opposition zog in dieser Angelegenheit vor den Staatsgerichtshof - vielleicht, um zu verhindern, dass Versäumnisse auch aus »ihrer Zeit« aufgedeckt werden könnten, vielleicht aber nur aus grundsätzlichem Groll. Sie hatte Erfolg: Als »verfassungsrechtlich unzulässigen Gegenangriff« von Rot-Grün werteten die Richter das Ausweiten des Untersuchungszeitraums. Gegen den Willen der Minderheit, in diesem Fall CDU und FDP, dürfe der Prüfauftrag nicht verändert werden.

Jens Nacke, parlamentarischer Geschäftsführer der Union, bilanziert nach dem Urteil: »Es war bereits das sechste Mal in drei Jahren, dass die CDU-Fraktion wegen Verstößen von SPD und Grünen gegen Verfassungsrechte nach Bückeburg gezogen ist.« Jedes mal habe die Regierung herbe Niederlagen einstecken müssen. Ähnliches vermeldete die FDP. Sie hatte im selben Zeitraum fünf Verfassungsklagen eingereicht. Zwei endeten mit einer sogenannten Anerkennung seitens der Beklagten, einmal unterlag Rot-Grün, zudem gab es einen Vergleich, und eine Klage läuft noch.

Wiederholt seien sie von Rot-Grün in ihren Minderheitsrechten beschränkt worden, kritisieren CDU und Liberale. Und wiederholt waren sie in dieser Auffassung in Bückeburg bestärkt worden. Beispiel: Nach Ansicht der Richter hatte die Regierung ihre Informationspflicht gegenüber Abgeordneten verletzt, als sie der Opposition einen Großteil von Akten zum »Fall Paschedag« verweigerte. Der frühere Grünen-Staatssekretär im Umweltministerium des Landes hatte mit einem zu dicken Dienstauto und einer Büro-Klimaanlage für Aufregung gesorgt.

Auch hatte es mehrere schwarz-gelbe Klagen gegen die Regierung gegeben, weil sie parlamentarische Anfragen aus CDU und FDP nicht »unverzüglich und vollständig« beantwortet hatte. Jedenfalls nicht so, wie es die Verfassung vorschreibt. Damit habe Rot-Grün die Rechte der Abgeordneten verletzt, urteilte der Staatsgerichtshof.

Dass Rot-Grün inzwischen so oft vor dem Staatsgerichtshof erscheinen musste, führt zu der Frage: Klopfen Koalitionsfraktionen und Regierung ihre Entscheidungen, ihr Verhalten gegenüber der Opposition nicht sorgfältig genug auf rechtliche Fallstricke ab? Solche spannen CDU und FDP doch nur zu gern. Nicht nur, um den eigenen Willen durchzusetzen, sondern auch als probates Mittel, um mittels einer Erfolg versprechenden Klage Schlagzeilen zum Nachteil von SPD und Grünen zu generieren - solche wie: »Neue Schlappe für Rot-Grün«.

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