Schwedens Rechtspopulisten greifen nach der Macht

Bürgerliche Moderaterna-Partei schließt eine künftige Zusammenarbeit nicht mehr aus

  • Bengt Arvidsson
  • Lesedauer: 3 Min.

Stockholm. Eigentlich wollten die etablierten Parteien in Schweden aus Erfahrungen im Nachbarland Dänemark lernen. Dort gewann die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (DF) im letzten Jahrzehnt als Stütze bürgerlicher Regierungen immer mehr Einfluss und Stimmen. Die Strategie der dänischen Sozialdemokraten und Bürgerlichen, ihre Ausländerpolitik zu verschärfen, ging nach hinten los. Die Wähler blieben der DF treu und neue kamen hinzu. Inzwischen hat die DF mehr Stimmen als die größte bürgerliche Partei.

Auch in Schweden gewinnen die Rechtspopulisten kräftig an Stimmen hinzu. Die ursprünglich aus der Naziszene stammenden Schwedendemokraten (SD) sind eigentlich schon seit 2010 die parlamentarischen Königsmacher. Bei den Wahlen 2014 verdoppelten sie ihren Stimmenanteil auf 12,9 Prozent. Inzwischen erhalten sie in Umfragen teilweise über 20 Prozent. Doch Einfluss haben sie weiterhin nicht.

Um der SD auch in Zukunft keinen Einfluss zu gewähren, hat die derzeitige rotgrüne Minderheitsregierung mit der bürgerlichen Vierparteienopposition im Dezember 2014 eine europaweit einmalige Abmachung getroffen. Die beiden Blöcke legten fest, dass der jeweils größere Block das Land regieren dürfe, auch ohne Mehrheit. Seitdem duldet die bürgerliche Opposition die rotgrüne Minderheitsregierung durch Stimmenenthaltung. Im Gegenzug soll der linke Block eine zukünftige bürgerliche Regierung in gleicher Minderheitslage dulden, so der Grundgedanke.

Ein Kooperationszwang mit den einwanderungsfeindlichen Schwedendemoraten fällt damit völlig weg. Die Rechtspartei wurde so trotz rechnerischer Königsmacherrolle völlig ausgeschlossen. Parlamentarier der Moderaterna hatten sogar ein Umgangsverbot mit der SD von der Parteispitze auferlegt bekommen.

Doch diese formell inzwischen gekündigte, aber praktisch fortgeltende Block-Übereinkunft bekommt immer tiefere Risse. Die linksliberale Parteichefin der größten bürgerlichen Partei Anna Kinberg Batra konnte angesichts schwindender Umfragewerte dem rechten Parteiflügel nicht mehr standhalten. Ihre Partei werde mit der SD zusammenarbeiten, sagt sie nun. Schon im Herbst könne so das Budget der rotgrünen Regierung für 2018 gestürzt werden, stellte sie in Aussicht.

Die SD sei die drittstärkste politische Kraft im Lande. Man könne den Wählerwillen nicht ignorieren, unterstrich sie. Gleichzeitig stimmt ihre lange betont einwanderungsfreundliche Partei nun deutlich strammere Töne in der Ausländerpolitik an, um Wähler von der SD zurückzugewinnen. »Zwingt Flüchtlinge, Beeren zu pflücken. Streicht ihnen die finanzielle Unterstützung, wenn sie solche Jobs nicht annehmen«, forderte etwa jüngst die Arbeitsmarktsprecherin Elisabeth Svantesson. Solche Forderungen wären noch vor kurzem untragbar in der Parteispitze gewesen.

Die Kritik am Positionswechsel war groß. Im bürgerlichen Vierparteienlager gelten nur die Liberalen als mögliche Unterstützer. Christdemokraten und Zentrum verurteilten den Vorstoß.

Der sozialdemokratische Ministerpräsident Stefan Löfven nannte ihn gar »unappetitlich«. Doch auch die Sozialdemokraten hören bereits indirekt auf die Schwedendemokraten, an die sie ebenfalls unzählige Wähler verloren haben. So hat die rotgrüne Regierung ihre generöse Flüchtlingspolitik schon vor einem Jahr beendet und schottet Schweden ab.

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