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Schulz will ostdeutsche Wähler gewinnen

Der designierte SPD-Kanzlerkandidat tourt im Schnelldurchlauf durch die neuen Bundesländer

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Hände schütteln, winken, zuhören und Verständnis zeigen: Martin Schulz befindet sich früh auf Wahlkampftour. Dafür hat sich der designierte SPD-Kanzlerkandidat in diesen Tagen Regionen im Osten der Republik ausgesucht, in denen seine Partei zum Teil dramatisch schwächelt. Während die SPD in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit Dietmar Woidke und Erwin Sellering die Ministerpräsidenten stellt, erreicht sie in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt nur noch etwas mehr als zehn beziehungsweise zwölf Prozent der Stimmen.

Nachdem Schulz am Mittwoch im brandenburgischen Königs Wusterhausen Schuheinlagen der Firma Schelchen begutachtet und deren Produktion als »beeindruckend« gelobt hatte, ging es weiter in die Lübbener Spreewaldklinik und zu zivilgesellschaftlichen Initiativen in Leipzig. Am Donnerstag war dann die HNO-Ambulanz im Universitätsklinikum Halle an der Saale dran. Am Sonntag ist zudem eine Rede des künftigen SPD-Vorsitzenden im Kunstkraftwerk Leipzig geplant.

Ziel dieser Tour ist neben dem Werben um ostdeutsche Wähler offensichtlich, dass sich Schulz mit Menschen sehen lassen will, die »hart arbeiten« oder sich gesellschaftlich engagieren. Das sind wichtige Zielgruppen der Sozialdemokraten im anstehenden Bundestagswahlkampf. Allerdings verfolgen nicht alle dieser potenziellen SPD-Wähler die gleichen Interessen. Vor wenigen Tagen hatte Schulz noch bei einer Veranstaltung von gewerkschaftsnahen Sozialdemokraten in Bielefeld versprochen, gegen »sachgrundlose Befristungen« von Arbeitsverträgen vorzugehen. In Königs Wusterhausen wurde er dagegen von Firmenchef Thomas Timm und dessen Ehefrau Sabine damit konfrontiert, dass sie befristete Verträge gar nicht so negativ sehen wie der Sozialdemokrat. Der inzwischen 170 Mitarbeiter zählende Betrieb habe vor einigen Jahren befristete Jobs gehabt. Die Mitarbeiter seien später zum größten Teil unbefristet übernommen worden, hieß es von Unternehmerseite. Schulz deutete ein Entgegenkommen bei Befristungen aus »wirtschaftlichen Gründen« an. Für mittelständische Unternehmen hatte er nur Lob übrig. »In der Wirtschaft wird oft über die Giganten gesprochen, vor allem kleine und mittlere Firmen haben zuletzt aber neue Jobs geschaffen«, sagte der SPD-Politiker.

Doch nicht überall wurde Schulz freundlich empfangen. Als er durch Leipzig ging, riefen einzelne Menschen: »Hau ab!« Sie nannten ihn zudem einen »Volksverräter«. Schulz dürfte sich darin bestärkt sehen, dass die Auseinandersetzung mit rechten Kräften wie der AfD zu seinen wichtigsten Themen zählt. Er hatte die Partei vor wenigen Tagen als »eine Schande für die Bundesrepublik« bezeichnet und sie zu seiner Gegnerin erklärt. Wenn der Hype um Schulz anhalten sollte, könnte dies der AfD schaden. Sie schneidet in neuen Umfragen so schlecht ab wie schon lange nicht mehr. Emnid und Forsa sehen die AfD bei nur noch neun beziehungsweise acht Prozent. Auf ähnliche Werte ist die LINKE gesunken. Den Grünen geht es noch etwas schlechter. Eine mögliche Erklärung für den derzeitigen Stimmungsumschwung sind die Versprechen des SPD-Spitzenmanns, sich für mehr soziale Gerechtigkeit einsetzen und die Agenda 2010 teilweise korrigieren zu wollen. Wie weit er dabei gehen will, ist allerdings noch unklar.

Einige konkrete Hinweise, was von Schulz bundespolitisch zu erwarten sein wird, dürfte es aber schon bald geben. Aus SPD-Kreisen hieß es am Donnerstag, dass der Nordrhein-Westfale am 7. März an einer Sitzung des Koalitionsausschusses im Kanzleramt mit den Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) teilnehmen will. Bei der schwarz-roten Zusammenkunft soll es darum gehen, welche Projekte die Bundesregierung bis zum Sommer noch umsetzen will. Danach beginnt die heiße Phase des Wahlkampfs. Themen des Ausschusses könnten neben der Flüchtlings- und Innenpolitik die von der SPD geforderte steuerliche Begrenzung von Managergehältern und die Solidarrente sein.

Vermutlich ist die Anwesenheit von Schulz im Kanzleramt von den Sozialdemokraten deswegen gewünscht, weil der scheidende SPD-Chef Gabriel nur noch eine »Lame Duck« ohne große Handlungsmöglichkeiten ist. Schulz, der Ende Januar von der Spitze der Sozialdemokraten nominiert worden war, soll von einem Bundesparteitag am 19. März in Berlin zum neuen Vorsitzenden gewählt werden.

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