Tschetschenen sollen draußen bleiben

Verfassungsschutz begrüßt Grenzkontrollen zwischen Russland und Belarus

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) werfen Russland vor, Deutschland und die EU sowie das transatlantische Verhältnis negativ beeinflussen zu wollen. So wie die Wahlen in den USA wollen Putins Dienste womöglich auch den Bundestagswahlkampf manipulieren.

Russlands tatsächliche und auch angenommene Versuche der Einflussnahme waren auf der Münchner Sicherheitskonferenz ein Topthema. Da fiel ein einzelner gegenläufiger Satz der Kanzlerin nicht besonders auf. Angela Merkel verwies, als sie vom gespannten Verhältnis zu Russland sprach, auf »Gemeinsamkeiten im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus«. Sie glaube, »hierbei haben wir genau die gleichen Interessen und können hierbei auch zusammenarbeiten«.

Was wie eine Möglichkeit klang, ist Praxis. Sie zeigt sich an der Grenze zwischen Russland und Belarus. Bislang gab es zwischen den verbündeten ehemaligen Sowjetrepubliken keine Personen- oder Zollkontrollen. Seit Januar gibt es sie. Der russische Inlandsgeheimdienst FSB richtete extra drei neue Verwaltungen ein.

Offiziell verweist man in Moskau darauf, dass die Regierung in Minsk für Touristen aus 80 Ländern, darunter aus der EU und den USA, eine visumsfreie Einreise über den hauptstädtischen Flughafen gestattet. Gewiss befürchtet man in Moskau auch, dass so Ausländer illegal nach Russland gelangen könnten. Wichtiger indessen scheint, dass man verhindern will, das manche Menschen, die einen russischen Pass oder auch gar keinen Papieren haben, ausreisen. Dabei schaut sich der FSB vor allem nach Menschen aus Tschetschenien um.

Moskau hat dieser offiziell autonomen Republik bislang zwei blutige Kriege geführt. Insbesondere islamistische Kämpfer und Gruppen boten und bieten Moskau die Stirn. 2007 wurde das »Emirat Nordkaukasus« gegründet, deren Anführer später dem Führer des Islamischen Staates (IS) Al-Baghdadi die Treue schworen.

Offiziell regiert in Tschetschenien Ramsan Kadyrow. Der brutale Ex-Rebellenchef hat sich auf Moskaus Seite geschlagen. Er soll, so die Berichte, ein grausames Regime führen. Menschen verschwinden einfach hinter Gittern oder ganz. Entsprechend groß ist die Fluchtbewegung.

So sollen einige Tausend Tschetschenen auch in Belorussland leben. Unter zumeist menschenunwürdigen Bedingungen. Die meisten aber wollen ohnehin weiter. Zunächst nach Polen, um in einem EU-Land Asyl zu beantragen. Nur wenige werden ins Land gelassen und Warschaus Behörden sind nicht geneigt, Asylanträge anzunehmen. Sie haben nichts dagegen, wenn die Menschen weiterziehen. Vor allem nach Deutschland. Oder nach Österreich. Dort leben derzeit um die 30 000 Menschen aus der Nordkaukasusregion und laut deutschem Bundesamt für Migration stand die Russische Föderation im vergangenen Jahr auf Platz acht, der Antragstellerlisten. Die Masse kommt aus dem Nordkaukasus. Der Trend setze sich fort, heißt es.

Diese Flüchtlinge sind nicht das eigentliche Problem. Die Behörden denken viel mehr an die über 3000 gut ausgebildeten und todesmutigen tschetschenischen Männer, die nach Syrien gegangen sind, um für den IS zu kämpfen. Der Verfassungsschutz befürchtet, dass Deutschland für die nach und nach zu einem Rückzugsraum werden könnte.

Natürlich sammeln die Geheimdienstler Informationen und scheuen sich nicht, die beim russischen Inlandsdienst FSB zu erbitten. Im Austausch, versteht sich. Die Razzia, die Anfang November vergangenen Jahres in Sachsen, Thüringen und Rheinland-Pfalz stattgefunden hat, darf als ein erster Versuch gewertet werden, in die tschetschenische Szene einzudringen und Achtungszeichen zu setzen. Vielleicht sogar im Auftrag weniger befreundeter Dienste.

Man habe im Terrorabwehrbereich »gemeinsame Interessen«, ließ sich Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen jüngst via »Deutschlandfunk« vernehmen. Er wolle auch erreichen, dass Terrorverdächtige nach Russland abgeschoben werden.

Man ahnt, dass sie unter der Obhut des FSB wenig Rechtsstaatlichkeit erwartet. Bislang sind tschetschenische Flüchtlinge nicht so sehr im Blickfeld hiesiger Menschenrechtsgruppen.

In Maaßens Dienst hofft man, dass sich die aktuellen, geheimen Beziehungen zu Russland erweitern lassen. Denn gewiss können die Kollegen in Syrien Erkenntnisse über den Bereich der Tschetschenen hinaus gewinnen, die deutschen Sicherheitsbehörden nutzen. Im Fokus des BfV sind deutsche IS-Kämpfer. doch will man auch mehr über die Arbeit des IS unter Flüchtlingen erfahren - bevor Lkw in Menschengruppen rasen. Neue, schwere Terroranschläge würden den Bundeswahlkampf in bedrohliche Untiefen abgleiten lassen.

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