Thüringer SPD wagt den Generationswechsel

Parteitag wagt ein bisschen Neuanfang und gibt einer jungen Politikerin die Chance auf ein Bundestagsmandat

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

Der umkämpfte Platz zwei der Landesliste der Thüringer SPD wird nicht von der ehemaligen Bundestagsabgeordneten Petra Heß besetzt. Die Delegierten auf einem Parteitag der SPD wählten am Samstag in Erfurt die Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Elisabeth Kaiser auf die entsprechende Position der Liste - obwohl der Landesvorstand Heß für Platz zwei nominiert hatte und der SPD-Landesvorsitzende, Andreas Bausewein, unmittelbar vor Beginn der entsprechenden Abstimmungen noch einmal für den Listenvorschlag des Vorstandes geworben hatte. Kaiser erhielt etwa 52 Prozent der abgegeben und gültigen 193 Delegiertenstimmen. Die 29-jährige Ostthüringerin hatte zuvor in einer emotionalen Rede für sich als Listenplatzkandidatin geworben - ohne primär über sich als Person zu sprechen. Stattdessen betonte sie, für sozialdemokratische Kernwerte zu stehen. Unter anderem sagte sie, es sei nicht hinnehmbar, dass Kinder- und Altersarmut immer mehr Menschen bedrohten, während der Deutsche Aktienindex auf die 12.000-Punkte-Marke zulaufe. Dass es an ihrer Kandidatur um Listenplatz zwei im Vorfeld auch Kritik gab, thematisiert sie ausdrücklich. »Manche von euch glauben, ich sei zu jung und zu unerfahren«, sagte Kaiser. Sie glaube aber, dass sie Mitglied einer Partei sei, in der man sich nicht dafür entschuldigen müsse, noch jung zu sein und noch nicht viele politische Ämter besetzt zu haben. Die Partei müsse der Jugend eine Stimme geben.

Mehrere Redner auf dem Parteitag - darunter die Südthüringer Bundestagsabgeordnete Iris Gleicke - hatten Kaisers Kandidatur für den Listenplatz zwei unterstützt und sich damit gegen den Vorschlag des Vorstandes gestellt. Kaiser verkörpere genau den Neuanfang, für den auch der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz stehe, argumentierte beispielsweise Gleicke. Auch sie habe keine politische Karriere machen können, wenn die Partei ihr als junger Frau keine Chance gegeben hätte. Die Ost-Beauftragte der Bundesregierung ist seit 1990 Mitglied des Bundestages und war selbst erst Mitte 20, als sie erstmalig ins Parlament einzog. Trotz ihrer eigenen politischen Vita sagte sie mindestens indirekt in Richtung Heß: »Es gibt kein Abonnement auf ein Bundestagsmandat.« Seit die SPD Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten machen will und so auf einen Neuanfang setzt, hat die Partei in mehreren Meinungsumfragen stark zugelegt.

Heß dagegen hatte vor allem ihre politische Erfahrung und ihre Person ins Zentrum ihrer Bewerbungsrede um den Listenplatz zwei gestellt. »Ich bin im Herzen wie so ein jung gebliebenes, erfahrenes Zirkuspferd«, sagte sie.

Die Listen-Reihung ist für Thüringer Sozialdemokraten so wichtig, weil Thüringer Sozialdemokraten nur über eine möglichst hohe Platzierung eine Chance haben, in den Bundestag einzuziehen. Den Kandidaten auf den ersten beiden Plätzen werden dabei sehr gute Chancen eingeräumt, ins bundesdeutsche Parlament zu kommen. Nur wenn das aktuelle Umfragehoch der SPD anhält, könnten auch die Kandidaten auf den Plätzen drei und vier in den Bundestag über die Liste einziehen.

Trotz des Neuanfangs, den die Thüringer SPD mit der Normierung Kaisers für Listenplatz zwei wagt, verabschiedet sich die Partei nicht von ihren etablierten und bekannten Politikern: Auf Listenplatz eins wählten die Delegierten den Erfurter SPD-Mann Carsten Schneider, der bereits im Bundestag sitzt und sich dort als Haushaltspolitiker einen Namen gemacht hat. Platz drei erhielt der ehemalige SPD-Landesvorsitzende Christoph Matschie, Heß erhielt schließlich Listenplatz vier.

Neben dem Schulz-Effekt gibt es einen weiteren Grund dafür, dass Kaiser sich gegen die etablierte Heß durchsetzen konnte: Heß, als Landesschatzmeisterin der Thüringer SPD, ist innerhalb der Sozialdemokraten nicht unumstritten. Gerade viele jüngere SPD-Mitglieder haben ihr nicht verziehen, dass sie sich in der Vergangenheit zum Beispiel gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in ihrer Heimatgemeinde ausgesprochen hatte.

Für Aufsehen am Rande sorgte zudem SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. In seiner Erfurter Rede sagte er hat den Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Höcke. »Für mich ist Björn Höcke ein Nazi.«

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