Resterampe Europas

Osteuropäische Staaten beklagen Lebensmittel geringerer Qualität

  • Guido Speckmann
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Slowakei und in Tschechien schlugen die medialen Wellen hoch: »Sind wir denn die Müllhalde Europas? Warum bekommen wir schlechtere Lebensmittel als die Deutschen und Österreicher?« Mit diesen Schlagzeilen machten die dortigen Zeitungen in der letzten Woche auf. Der Anlass: Der slowakische Regierungschef Robert Fico hatte auf einem Treffen mit den Regierungschefs aus Polen, Ungarn und Tschechien - den sogenannten Visegrad-Staaten - die multinationalen Lebensmittelkonzerne angeprangert. »Es ist inakzeptabel, dass in die postkommunistischen Länder Produkte mit gleichem Markennamen, aber schlechterem Inhalt geliefert werden als nach Westeuropa.« Das sei erniedrigend. Fico forderte die EU auf, gesetzliche Kontrollmechanismen einzuführen.

In Brüssel sollte das Thema für diesen Montag auf der Tagesordnung eines Treffens der EU-Landwirtschafts- und Fischereiminister stehen. Die tschechische Delegation will unter dem Tagesordnungspunkt »Nahrungsmittel mit Doppelqualität auf dem EU-Binnenmarkt« über eine Studie informieren, die zu den eingangs erwähnten reißerischen Schlagzeilen führte. Demnach hat das slowakische Agrarministerium 22 Lebensmittel untersucht, die mit dem gleichen Markennamen sowohl in der Slowakei als auch im benachbarten Österreich verkauft werden. Das Ergebnis: Fast die Hälfte der getesteten Produkte aus der Slowakei hatte eine geringere Qualität als die aus Österreich.

Mit diesen Ergebnissen konfrontiert, gab ein Sprecher von Iglo zu, dass der Fischanteil in den slowakischen Fischstäbchen geringer sei als der in Österreich oder Deutschland verkauften. Er betonte aber zugleich, dass die Qualität identisch sei. Und im Übrigen habe er den Eindruck, dass es sich bei den Vorwürfen um eine politische Kampagne handele. Die »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung« fragte bei weiteren Konzernen nach. So beim italienischen Unternehmen Ferrero, das den bekanten Brotaufstrich Nutella herstellt. Der allgemein gehaltenen Antwort ist zu entnehmen, dass es sehr wohl Unterschiede geben könne. Diese beträfen aber nicht die Qualität. Auch der Lebensmittelriese Unilever antwortete in diesem Sinne. Die Vorwürfe seien ungerechtfertigt. Allerdings unterschieden sich die Rezepturen in den Ländern deutlich. »Das habe aber nichts mit Qualität zu tun, sondern mit den unterschiedlichen Vorlieben der Konsumenten in Geschmack, Aussehen und Sensorik«, zitiert die Zeitung einen Unilever-Sprecher.

Das widerspricht nicht den Vorwürfen aus der Slowakei oder Ungarn. Denn diese bemängeln nicht, Lebensmittel mit anderen Rezepturen zu bekommen, sondern Tütensuppen, Nutella, Teebeutel oder Coca-Cola schlechterer Qualität. Ungarns Agrarminister Sndor Fazekas hat bereits eine Untersuchung 100 weiterer Produkte angeordnet. Das Ergebnis soll noch in diesem März veröffentlich werden.

Ängste, zur Resterampe zu werden, gibt es auch beim EU-Beitrittskandidaten Serbien. Dort werden die vielen »Ausschusswaren« im Land kritisiert. Viele Produkte seien von minderer Qualität, zitiert eine Zeitung Verbraucherschützer. Und in Rumänien sorgen sich Politiker, dass einheimische Lebensmittel in den Supermärkten immer mehr von westlichen Billigprodukten verdrängt würden. Deshalb wurde Mitte vergangenen Jahres ein Gesetz beschlossen, demzufolge Supermärkte zu 51 Prozent Waren aus regionaler Erzeugung im Regal haben müssen. Dagegen hat die EU nun ein Verfahren eingeleitet. Mit dpa Kommentar Seite 4

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