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Das Loch im Donut

Schieferdörfer im Centro de Portugal - neues Leben hinter alten Mauern

  • Manfred Lädtke
  • Lesedauer: 4 Min.

Hundert Kilometer nördlich von Lissabon breitet sich Portugals stille Mitte zwischen der geschäftigen Hauptstadt und dem grünen Norden aus: Berge und wilde Küsten, sanft geschwungene Hügelketten, finstere Wälder, verwunschene Dörfer. Wohnen hier der Klabautermann, Kobolde und Feen?

Eine Auto- oder Busfahrt von Lissabon oder Porto bis in das »Centro de Portugal« dauert maximal zwei Stunden. Abseits stiller Straßen und Pfade begegnen dem Reisenden in der waldreichen Serra da Lousa Menschen, in deren Heute das Herz von Gestern schlägt.

Auf kurvigen Straßen windet sich das Auto hinauf in ein Zauberland. Der Blick aus dem Fenster schweift über einen von Baumwipfeln geformten sattgrünen Teppich. An einen Bergrücken schmiegt sich das Schieferdorf Sao Simao. Den wie aus einem Märchen in die Wirklichkeit gestellten Ort mit ein paar jahrhundertealten schwarz-grauen Häusern, aus Quarz und Schiefer erbaut, durchzieht nur eine einzige Gasse. Hier scheint Müßiggang als Tagwerk noch möglich. Treffpunkt des Dorfes für Einheimische wie Touristen ist ein auf Felsen gebautes Lokal. Über Baumkronen und Hausdächern schenkt der Wirt auf einer Veranda Johannisbeersaft mit Minze und Thymian ein. Dann führt er seine Gäste hinunter zum Fluss zu imposanten Felsformationen.

Wie Sao Simao ist auch Ferraria de San Joao Mitglied im Projekt »Aldeias do Xisto«. In der Initiative haben sich 27 fast vergessene Schieferdörfer zwischen Serra da Lousa und der spanischen Grenze zusammengetan und sich mit Idealismus und Eigeninitiative aus einem Dornröschenschlaf befreit. 15 Millionen Euro öffentliche Fördermittel halfen dabei, Abwanderung und Verfall zu stoppen, und die verwahrlosten Bergnester im traditionellen Stil wieder aufzubauen. Den Löwenanteil steuerte die EU bei. Von weiteren rund 30 Millionen Euro flossen später rund zwei Drittel aus Privatschatullen.

Das Centro weit weg vom Atlantik und abseits der geläufigen Touristenrouten vergleicht Pedro Pedrosa so: »Wir sind das Loch im Donut. Das Nichts inmitten von Portugal waren lange wir. Ziegen hüten, Mais anbauen, Rüben pflanzen und im Winter hinter klammen rußigen Wänden frieren - wer will so leben?« Heute ist das Dorf eine beschauliche Oase der Stille. 46 Einwohner leben in den sanierten Steinhäusern, deren klobige Mauern kaum einen Rückschluss auf das komfortable Innere zulassen. Regenwassernutzung und Solarenergie seien in seinen drei Ferienhäusern ebenso selbstverständlich, wie die Speisekarte mit ausschließlich regionalen Produkten. Der behutsame Aufbau eines sozial- und naturverträglichen Tourismus trägt erste Früchte. Von 10 000 im Jahr 2010 seien die Übernachtungen in den Schieferdörfern 2016 bis über das Fünffache gestiegen, bilanziert der gelernte Informatiker.

Morgens um acht Uhr ziehen letzte Nebelschwaden durch die Wipfel im Tal. Die Sonne spiegelt sich im kleinen Hauspool. Wie durch Zauberhand klart der Himmel plötzlich auf, bis Sekunden später neue Schwaden heranziehen und sich im Tal unter der Sonne verlieren. Jetzt ist die beste Zeit für eine Mountainbiketour oder einen Spaziergang unter Pinien und Eukalyptusbäumen, über Wiesen und durch versteckte Gärten hinüber zum 200 Jahre alten Korkeichenwald.

Zwischen geschälten rotbrauen Stämmen hat Pedro unter den immergrünen Bäumen ein Essen vorbereitet. Gebäck, Tomaten, Mozzarella, hausgemachter Ziegenkäse und Joghurt, sowie Pastéis de bacalhau (feine Fischpasteten) laden zum Open-Air-Schmaus. Mit einer ausladenden Geste zeigt er in den gemeinschaftlichen Dorfwald: »Guter Kork braucht seine Zeit.« 30 Jahre alt müsse ein Baum bis zur ersten Schälung sein. Später werde alle neun Jahre ein Drittel der Rinde geerntet, mehr verkrafte die Eiche nicht. Manchmal würden Besucher einen Baum für 40 bis 80 Euro »adoptieren« und an dem Ernteertrag beteiligt. Viele Eichen hätten den Besitzer freilich noch nicht gewechselt, räumt Petro ein. Trotz der langsam steigenden Nachfrage seien die Schieferdörfer im Süden des Lousa-Gebirges aber noch immer Portugals am besten gehütetes touristisches Geheimnis.

Infos

www.centerofportugal.com/de; www.visitportugal.com


Literatur: »Portugal«, Stefan Loose Travel Handbuch, 24,99 Euro

Beste Reisezeit: Frühjahr und Herbst

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