Mach’ die linke Flanke dicht!

Melek Balgün: E-Game-Kapitänin und TV-Moderatorin

  • Lesedauer: 4 Min.

Sie sind die Vorzeigefrau des E-Sports in Deutschland. Doch immer noch wird die Szene von Kerlen dominiert. Woran liegt das?
Gleich vorab: Die Verhältnisse sind in Bewegung, denn immer mehr Mädels entdecken den Spaß am Computerspiel. Allerdings bevorzugen sie größtenteils Casual Games, das heißt einfache Spiele, die sich beispielsweise für Smartphones eignen. Krasse Geschlechterunterschiede bestehen weiterhin im wettbewerbsorientierten E-Sport. Deshalb dominieren auch in der Weltspitze Männer. Ehrlich gesagt habe ich dafür keine wirklich bündige Erklärung.

Die E-Sport-Liga ESL will da gezielt gegensteuern. Wie geht das, und zeigen sicherste Erfolge?
Wichtig sind vor allem die nötigen Informationen. Die haben Mädchen häufig nicht, die ja ganz bestimmt nicht weniger ehrgeizig als Jungs sind. Ich selber bin in einer Computer-affinen Familie aufgewachsen, saß schon früh an PC und Konsole. Und trotzdem habe auch ich erst in der Schule per Zufall erfahren, dass es professionelles Gaming gibt. Immerhin nimmt die Zahl der Topfrauen aktuell deutlich zu, vorzugsweise in - wie das im Fachjargon heißt - Multiplayer Online Battle Arena Spielen, wie »League of Legends« oder »DotA 2«.

Melek Balgün

Bei Arte moderiert Melek Balgün seit jüngstem die neue Webserie »The Art of Gaming«. Im Interview mit nd-Autor René Gralla spricht die 28-jährige Kölnerin Genderfragen im Gaming und über Teamgeist. Eltern rät sie zu unaufgeregtem Umgang mit Kids, die gerne am Computer daddeln.

Sie hatten sich in Ihrer aktiven Gamerzeit als Gamerin ausgerechnet für das kontroverse Counter-Strike entschieden, das wegen seiner martialischen Spielanlage von Außenstehenden häufig kritisiert wird.
Ich habe das oft gesagt und wiederhole das gerne noch einmal: In Counter-Strike werden bloß Pixel umgeschossen und keine Menschen. Was das eigentliche Wesen des Spiels angeht: Der Erfolg hängt maßgeblich vom Mannschaftsgeist ab. Sie müssen die Gegenpartei lesen wie ein Buch, ihr immer einen Schritt voraus sein, die nächsten Züge vorausahnen. Um das zu packen, müssen Sie die Stärken der eigenen Teammitglieder in- und auswendig kennen und zu einem kollektiven Mastermind zusammenfassen.

Welche Rolle haben Sie sich denn dabei im Team ausgeguckt?
Die des »In-Game-Leaders«. Der lässt sich mit dem Kapitän auf dem Fußballfeld vergleichen. Der hält das Team zusammen und gibt Kommandos. So nach der Art von »Hey, mach’ die linke Flanke dicht!« Ich gebe also die generelle Marschrichtung vor und sage die taktischen Schläge an.

Eltern und Erzieher dürfen sich entspannt zurücklehnen, wenn die Kids einen Ego-Shooter Marke Counter-Strike zocken?!'
Ich spiele Counter-Strike, seit ich 14 Jahre alt bin. Obendrein rockte ich zeitweise in einer Metal-Band - und ich habe noch keiner Fledermaus den Kopf abgebissen! (lacht) Ich habe zudem unzählige E-Sport-Veranstaltungen besucht und niemals irgendwelche Gewalt zwischen Fans erlebt.

Da gibt es also keine Hooligans, die mit Notebooks rumschmeißen?!
Ein Fußballspiel peitscht Zuschauer und vor allem Fans um ein Vielfaches mehr auf als der E-Sport. Bei dem gibt es natürlich keine getrennten Blöcke sondern zusammen feiernde Anhänger der verschiedenen Mannschaften. Und scheidet das eigene Team aus, fragt man den Nachbarn: »Für wen bist du? Ah, okay, für die da?! Klasse, jetzt unterstütze ich Euch mit!«

Das klingt ja geradezu pädagogisch.
Tatsache, Gaming verbindet Menschen miteinander. Übrigens weltweit. Du triffst Gleichgesinnte aus den unterschiedlichsten sozialen Zusammenhängen und Kulturen, und das sind oft Leute, mit denen man im Normalalltag kaum ins Gespräch gekommen wäre. Aber dank E-Sport haben wir eine gemeinsame Basis und verstehen uns. Ich habe so allerorten Freunde gefunden, die ich real noch nie gesehen habe. Aber sollte ich eines Tages in Kuala Lumpur stranden, wüsste ich, wer mir helfen würde.

Deshalb wohl füllt Gaming, lange nur was für exotische Nerds, heute wie Popkonzerte riesige Hallen.
Doch das ist kein Selbstläufer, da ist weiter Überzeugungsarbeit zu leisten. Viele Menschen außerhalb der Community verstehen nicht, dass Computerspiel ernsthaft als Wettkampfsport betrieben werden kann. Übrigens inzwischen in den USA mit Preisgeldern, die in viele Millionen gehen.

Nun erläutern Sie seit neustem sogar bei Arte, wie E-Sport funktioniert. Wie argumentieren Sie da so?
Dass ich meinem Kind ohne Bedenken lieber vier Stunden Computerspiel am Tag erlauben würde als vier Stunden vor dem Fernseher zu sitzen. Denn das eine macht träge, das andere trainiert vielfältig. Meine großartige Mutter hatte mir einen Deal angeboten: Wenn meine Schulnoten nicht litten sowie meine sonstigen Freizeitaktivitäten, als da sind Tischtennis, Kampfsport, Reiten, Tanzen, durfte ich am Computer spielen bis zum Umfallen!

Coole Mama! Reiten Sie denn noch?
Aber ja. Dabei lasse ich mich komplett auf das Tier ein, wie es reagiert und wie es mit mir zu einer Einheit wird. Dieses Streben nach Harmonie erdet mich total.

»The Art of Gaming« mit Melek Balgün: creative.arte.tv/de/series/art-gaming

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