Fußgänger werden vernachlässigt

Bei der Verkehrsplanung liegt vieles im Argen - doch es gibt hoffnungsvolle Initiativen

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Einen Verkehrskongress in Wuppertal zu veranstalten ist keine schlechte Idee. Die Wuppertaler sind Freunde außergewöhnlicher Verkehrsmittel, wie die Schwebebahn zeigt, die sich durchs Tal schlängelt. Und auch sonst ist in Wuppertal derzeit einiges in Bewegung: Der Hauptbahnhof der Stadt wird großflächig umgebaut, wofür eine zentrale Bundesstraße über Jahre gesperrt werden muss. In den 1990er Jahren war die notwendige Sperrung der Bundesstraße noch ein Argument gegen den Bahnhofsumbau.

Und auch sonst machen sich die Wuppertaler viele Gedanken über alternative Verkehrsmittel. Eine Initiative fordert eine Seilbahn aus der Elberfelder Innenstadt zur auf einem Berg gelegenen Universität. Eine andere Initiative wünscht sich den Wiederaufbau einer Zahnradbahn im Stadtteil Barmen.

Carsten Gerhard, Vorsitzender des Vereins Wuppertal Bewegung nennt die bergische Großstadt ein »riesiges Labor« in Sachen Verkehrsinfrastruktur. Mit seinem Verein hat Gerhard gezeigt, dass man ambitionierte Pläne auch umsetzen kann. Seit elf Jahren erschließen er und seine Mitstreiter eine alte Bahntrasse im Wuppertaler Norden, heute gehört die rund 20 Kilometer lange Strecke zu den beliebtesten Freizeitorten für Skater, Fahrradfahrer und Fußgänger im Tal.

Das alles gelang zwar dank Eigeninitiative, aber auch nur im Zusammenspiel mit Wissenschaft und Politik und der zuständigen Verwaltung im Tal. Die Botschaft von Carsten Gerhard und der Wuppertal Bewegung: Engagement und Kooperation lohnen sich. Anderes hatte Norbert Rheinländer von der seit 1974 existierenden BI-Westtangente aus Berlin zu berichten. Er erzählte vom langen Kampf gegen die Stadtautobahn und wie vehement sich die Politik gegen die Bürgerinitiative gestellt habe. Um so lange durchzuhalten, sei es essenziell gewesen, dass die Bürgerinitiative positive Gegenbilder geschaffen habe.

Von der anderen Seite, aus der Verwaltung, kommt Jan Seeringer. In Hamburg war er für die Bürgerbeteiligung beim Umbau der Osterstraße in Eimsbüttel zuständig. Während die Straße vor dem Umbau eng und an den Autoverkehr angepasst war, änderte sich das nach dem Umbau. Parkplätze sind weggefallen und Bürgersteige vergrößert worden. Dies konnte nur gelingen, so Seeringer, weil man die betroffenen Bürger früh in die Planung eingebunden habe.

Dass noch längst nicht überall auch an die Fußgänger gedacht wird, konnte Werner Brög vom Forschungsinstitut Socialdata aus München bestätigen. Seit den 1970er Jahren gibt es zwar regelmäßige Erhebungen zur Nutzung von Verkehrsmitteln. In der Regel werde aber nur nach dem »hauptsächlich genutzten Verkehrsmittel« gefragt. Bei alltäglichen Wegen, etwa zur Arbeit, ist das dann meist das Auto oder der Öffentliche Nahverkehr. Das man allerdings auch zur Haltestelle oder zum Parkplatz des Autos hinkommen muss, werde in den gängigen Studien vernachlässigt, so der Verkehrsforscher.

Brög und seine Kollegen untersuchten deshalb in einer Studie etwa 18 000 Haushalte mit rund 36 000 Personen in deutschen Städten und fragten nach den einzelnen Etappen auf den täglichen Wegen. Dabei fanden sie heraus, dass täglich auf drei Wegen im Durchschnitt 19 Kilometer zurück gelegt werden, die insgesamt 64 Minuten dauern. Fußwege und Wartezeiten nehmen davon einen nicht unerheblichen Teil ein.

Der Meinung, dass Fußgänger vernachlässigt werden, stimmten auch viele Zuhörer am Wochenende in Wuppertal zu. Einige kamen aus der Stadtplanung, man darf also gespannt sein, ob dem Fußgänger in Zukunft mehr Raum gegeben wird.

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