Die Schlange im Kofferraum

In Weißenfels finden Reptilien eine Zuflucht

  • Heidrun Böger
  • Lesedauer: 3 Min.

»Vor allem Schlangen werden zu uns gebracht, aber auch Schildkröten, Echsen und Vögel«, zählt Rolf Schumann auf. Hauptberuflich arbeitet Schumann im Maschinenbau, doch daneben engagiert er sich gemeinsam mit Ehefrau Bärbel für - Reptilien. Seit vier Jahren betreibt ein Verein, dessen Vorsitz sich die Eheleute Schumann teilen, in einer alten Schule im sachsen-anhaltinischen Weißenfels eine Auffangstation für Reptilien. Die Stadt stellt die Räume dem 2006 gegründeten Verein kostenfrei zur Verfügung. Denn ein städtisches Tierheim gibt es in Weißenfels nicht.

In der Auffangstation werden neben Reptilien auch Vögel, Fische und exotische Kleinsäuger aufgenommen - im Grunde alles außer Hunden und Katzen. Derzeit leben dort rund 70 Tiere auf zwei Etagen, darunter auch Giftschlangen. Gelegentlich gibt es gar Kaimane. Reptilien, erklärt Rolf Schumann die Spezialisierung, liegen den Mitgliedern einfach: »Die meisten haben Reptilien zu Hause.« Auch bei den Schumanns leben seit 30 Jahren Schlangen und Schildkröten.

Bedarf an der Station gibt es durchaus. Nahezu täglich werden Tiere gebracht, manchmal in schlechtem Zustand. Schlangen werden oft 20 oder 30 Jahre alt, sie nicht selten überleben ihre Besitzer. Angehörige rufen dann an, der Verein holt die Tiere ab. Wer möchte schon eine Schlange im Kofferraum transportieren?

Oft gibt es auch Hinweise über nicht artgerechte Haltung. Wasserschildkröten etwa sind klein und niedlich in der Zoohandlung, wiegen ausgewachsen aber zwei Kilo und brauchen Platz. Das Veterinäramt holt die Tiere dann ab - aus Leipzig wie Magdeburg und Erfurt kommen sie nach Weißenfels. Dort wird eine Aufnahmegebühr fällig - je nach Tierart. Daneben bietet die Station auch Urlaubsbetreuung und Überwinterung an. Schildkröten etwa brauchen in der Winterruhe eine Temperatur zwischen vier und acht Grad, das können viele zu Hause nicht sicherstellen.

Wer ein Tier mitnehmen will, muss wie in jedem Tierheim eine Schutzgebühr entrichten. »Was besonders beliebt ist, kann man nicht sagen. Jeder findet ein anderes Tier schön«, so Schumann. Schwer vermittelbar sei ein grüner Leguan. Es wird freilich geprüft, ob Interessentinnen geeignet sind. Die Vereinsmitglieder lassen sich Fotos vom Terrarium oder von der Voliere zeigen: Stimmt die Beleuchtung, die Fläche, die Luftfeuchtigkeit und Temperatur? In Gesprächen wird klar, ob Interessenten sich auskennen. Anfänger sind aber nicht ausgeschlossen, manche nehmen an Schulungen teil. Rolf Schumann betont, dass es »viele seriöse Halter« gibt.

Auch normale Tierheime haben Reptilienräume. Spezielle Stationen aber gibt es wenige: in München, Hamburg, in Hessen und in Nordrhein-Westfalen. Der Bedarf ist größer: In Weißenfels stößt man an Kapazitätsgrenzen. Etwas Geld kommt durch Gebühren herein, doch wünscht man sich mehr Unterstützung - obwohl das Futter kostenlos ist: Nicht mehr verkäufliches Obst und Gemüse stellt ein Großmarkt zur Verfügung. Lebendfutter wie Mäuse und Ratten wird selbst gezüchtet. Doch die Reptilien sind manchmal auch krank oder müssen geimpft und aufgepäppelt werden.

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