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Oranienburg hofft auf Bundeshilfe

Bei der Blindgängersuche und -beseitigung wird die Stadt bisher nur vom Land unterstützt

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Wochen sitzt die Stadtverwaltung von Oranienburg (Oberhavel) wie auf Kohlen. Zum Jahreswechsel hat Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke (SPD) beim Bundesfinanzminister Beihilfen in Höhe von 1,5 Millionen Euro zur Finanzierung der Kampfmittelbeseitigung im Stadtgebiet beantragt. Sie sollen aus dem im Herbst bewilligten 60-Millionen-Euro-Programm fließen, mit dem der Bund für die Jahre bis 2019 erstmals die Länder bei der Räumung alliierter Munition unterstützt. »Das Geld sollte eigentlich zu Jahresbeginn zügig bereitgestellt werden«, sagte der Bürgermeister dem »nd«.

Für den städtischen Haushalt ist die Suche und Entschärfung von Blindgängern eine große Belastung. Auf rund vier Millionen Euro hat Oranienburg die dafür 2017 eingeplanten Mittel erhöht, Geld, das für andere notwendige Investitionen fehlt. Das Land überweist 3,5 Millionen Euro. 147 Millionen Euro sind als Rückstellungen für die Kampfmittelbeseitigung blockiert. »Wenn wir auf diesem Niveau weitermachen, dann sind wir in 30 Jahren noch nicht mit der Bombensuche fertig«, so Laesicke.

Doch noch immer gibt es keine Klarheit darüber, nach welchem Schlüssel überhaupt die Aufteilung der ersten, für 2016 zugesagten Marge von fünf Millionen Euro vom Bund überhaupt erfolgen soll. Am Mittwoch hatte sich daher der Bevollmächtigte Brandenburgs bei der Bundesregierung, Martin Gorholt (SPD), mit Laesicke getroffen, um sich von ihm auf den aktuellen Stand bringen zu lassen. Beide gehen davon aus, dass die Zuteilung der Mittel nach dem Grad der Belastung des jeweiligen Bundeslandes und der Höhe des zur Kampfmittelbeseitigung notwendigen Aufwandes erfolgen müsste. Gorholt will beim Bundesfinanzminister nachhaken. »Ich erwarte aber tagtäglich die Freigabe der für 2016 vorgesehenen Mittel.«

Der Umgang mit den gefährlichen Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkrieges gehört in der Kreisstadt längst zum Alltagsgeschäft. Die Stadt war insbesondere 1944 und 1945 als Zentrum der Rüstungs- und Chemieindustrie ein bevorzugtes Angriffsziel von britischen und US-Bomberverbänden. Allein beim schwersten Angriff am 15. März 1945 wurden 4000 Bomben auf Oranienburg abgeworfen. Unter den tausenden Bomben und Granaten, die bis zur Befreiung im April 1945 die Stadt trafen, waren Schätzungen zufolge 10 500 Großbomben, viele davon mit chemischem Langzeitzünder. Zehn bis 20 Prozent davon explodierten nicht.

Doch obwohl viele dieser »Blindgänger« noch während des Krieges und in den Jahrzehnten danach entdeckt und unschädlich gemacht wurden, ist die Gefahr längst nicht gebannt. Korrosion lässt die Zünder der Sprengkörper immer labiler werden, Selbstentzündungen drohen, Giftstoffe dringen aus zerborstenen Bomben ins Grundwasser. Mitte Dezember hat der Kampfmittelräumdienst nach systematischer Suche unter Zuhilfenahme alliierter Luftaufnahmen die 200. Bombe seit 1990 in Oranienburg lokalisiert und entschärft. Noch an die 300 Blindgänger werden hier vermutet. Am 21. April ist es wieder soweit: Im Ortsteil Sachsenhausen soll eine beim Aufschlag zerschellte Bombe geräumt werden.

Der Bürgermeister ist mehr als gespannt, nach welchen Kriterien die Mittel des Bundes vergeben werden. »Uns ärgert zum Beispiel, dass bislang die systematische Bombensuche nicht förderfähig ist«, so Laesicke. Doch gerade dafür müsse man in der dicht besiedelten Stadt einen großen Aufwand betreiben. Die Stadt sei als Eigentümer auf eigenem Grund unterwegs, müsse bei einer Entschärfung auch die Kosten für Absperrungen, Evakuierung, Verkehrsmaßnahmen tragen. Auch für die Schadensregulierung anderer betroffener Grundstücks- und Immobilienbesitzer müsse die Stadt aufkommen. »Wir hoffen auf eine unbürokratische Berücksichtigung all dessen.« Als einmalige Maßnahme reiche das Bundesprogramm nicht aus, notwenig sei eine Verstetigung der Zuschüsse, um Rechtssicherheit zu schaffen.

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