nd-aktuell.de / 23.03.2017 / Sport / Seite 19

Den großen Worten folgen endlich Siege

Die Berlin Volleys drehen ein verloren geglaubtes Spiel gegen Istanbul und stehen erstmals unter den besten sechs Mannschaften des europäischen Volleyballs

Oliver Kern

Als das Glück endlich die Seite gewechselt hatte, lief Graham Vigrass kopfschüttelnd zum Aufschlag, als wollte er sagen: »Warum hat das so lange gedauert?« Plan A, mit dem seine Berlin Volleys die Top6-Runde der Champions League erreichen wollten, war längst über den Haufen geworfen. Jetzt ging es darum, irgendwie Plan B noch umzusetzen. Ursprünglich wollte Berlin 3:0 oder 3:1 gewinnen, um die knappe 2:3-Hinspielniederlage bei Istanbul BBSK wettzumachen, doch nun lag man plötzlich auch zu Hause nach zwei Sätzen 0:2 zurück. Jetzt mussten vier Durchgänge in Folge gewonnen werden. Dabei konnten ein paar mehr geglückte Blöcke hier und ein paar mehr gegnerische Fehler da nur helfen.

»Wir wussten nicht, ob Istanbul das hohe Niveau aus den ersten Sätzen halten würde. Wir haben nur gehofft, dass sie es nicht könnten«, sagte der Kanadier Vigrass später, als sich seine Hoffnung erfüllt hatte. Berlin hatte das Spiel doch noch gedreht, das Rückspiel 3:2 gewonnen und direkt im Anschluss auch den entscheidenden »Goldenen Satz«. Fast drei Stunden hatten die Volleys für den Sieg benötigt, den der Hallensprecher sofort als »Wunder von Berlin« betitelt hatte. Damit hatten sie es sportlich erstmals in die Runde der sechs besten Mannschaften Europas geschafft.

2015 waren die Volleys bereits Dritter der Champions League, hatten damals aber als Ausrichter des Finalturniers das Achtel- und Viertelfinale überspringen dürfen. Alle übrigen Versuche wurden stets von Teams aus den stärkeren Ligen Russlands oder der Türkei gestoppt. Damit sollte endlich Schluss sein, schließlich hat Manager Kaweh Niroomand die Max- Schmeling-Halle längst zum Volleyballtempel erkoren, in der europäischer Spitzenvolleyball gespielt wird. 4282 Fans durften am Dienstagabend feiern, dass den Worten auch mal Taten folgten.

Herausragender Akteur war Serbiens Nationalspieler Aleksandar Okolić, der zwar mit 17 Zählern nicht die meisten Punkte für Berlin sammelte, mit einer überragenden Angriffs- und Blockquote Istanbul oft vor unlösbare Probleme stellte. »Er spielte in seiner eigenen Liga, hat fast jeden Ball geblockt, weil er die gegnerischen Angriffe super gelesen hat. Das war sein bestes Spiel der ganzen Saison«, sagte Mitspieler Paul Carroll über Okolić. Der Gelobte gab die Komplimente zurück und sprach lieber von einem »Erfolg des Teams«, das in den ersten zwei Sätzen vielleicht etwas zu ängstlich gewesen sei. »Aber danach hatten wir nichts mehr zu verlieren. Wir waren uns sicher: Wenn wir unser Spiel durchziehen, werden wir gewinnen.«

Okolić erklärte den Umschwung nicht mit veränderter Taktik, sondern mit gesteigerter Energie und Konzentration. Kapitän Robert Kromm pflichtete ihm bei: »Istanbul hat mittendrin nachgelassen und es dann nicht mehr geschafft, wieder ins Spiel zu finden, als wir im Fluss waren. Sie haben den Fehler gemacht, nicht bis zum Ende durchzuspielen.«

Mit Ausnahme von Trainer Roberto Serniotti stand noch kein Berliner je in der Runde der besten Sechs. »Es fühlt sich toll an, dass ich das in meinem ersten Jahr im Ausland geschafft habe«, sagte der 23-jährige Okolić. Auch Kollege Graham Vigrass war überwältigt: »Es ist großartig, Berlin weiter gebracht zu haben als je zuvor.« Er habe aber keinen besonderen Druck verspürt, die Zielstellung des Managements endlich zu erreichen. »Der Verein erwartet keine Siege, sondern nur, dass wir alles geben, was wir haben. Wenn du das machst, kommt aber meistens auch etwas Gutes heraus.«

Nächster Gegner wird im April Dynamo Moskau sein, in dessen Reihen mehrere Ex-Gewinner der Champions League stehen. »Wir haben aber gute Erfahrungen mit Russen gemacht«, erinnerte Paul Carroll an das gewonnene Finale des CEV-Pokals 2016 gegen Surgut in Westsibirien. Dieses Team hatte zuvor Dynamo Moskau ausgeschaltet. Carroll glaubt also an die Chance aufs Erreichen des Final Four: »Und jede Menge Selbstvertrauen haben wir jetzt auch noch.«