Abgelesen oder abgezockt?

  • Rolf Schraa
  • Lesedauer: 3 Min.

Techem, Ista, Brunata-Metrona - der Markt für das Ablesen von Heizungen ist zu rund zwei Dritteln in der Hand dreier Großunternehmen. Verbraucherschützer bemängeln fehlende Konkurrenz und halten die Ablesekosten für zu hoch. Nach einer Schätzung des Klimaschutz-Netzwerkes co2online zahlen Mieter jedes Jahr rund 200 Millionen Euro zu viel. Das Bundeskartellamt untersucht seit 2015 die Branche, demnächst soll der Bericht veröffentlicht werden.

Die Ablesedienstleistung ist ein Milliardengeschäft. Bei knapp 20 Millionen verbrauchsabhängigen Heizkostenabrechnungen liegt das Marktvolumen bei ein bis zwei Milliarden Euro im Jahr, schätzt der Sprecher des Deutschen Mieterbundes, Ulrich Ropertz. »Die Dienstleistung ist wahrscheinlich zu teuer.« Energieexperte Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW sagt: »Das ist ein Riesengeschäft zulasten der ohnehin gebeutelten Mieterhaushalte.«

Das Kartellamt will sich zur Untersuchung vorab nicht äußern, ein Punkt ist der Behörde aber aufgefallen: Das Ablesen gibt der Vermieter in Auftrag, die Rechnung zahlt aber der Mieter. Daraus folgt, dass ersterer kaum Interesse daran hat, auf niedrige Ablesekosten zu achten.

Kritiker verweisen auf hohe Gewinne: Bei Ista lag der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen 2015 bei 43 Prozent des Umsatzes. Techem verdiente mit 274 Millionen Euro Betriebsgewinn bei 745 Millionen Euro Umsatz ähnlich gut. Allerdings sind die hohen Investitionen abzuziehen - bei Techem über die Hälfte des Ebitdas, so eine Sprecherin.

Ista-Chef Thomas Zinnöcker verteidigt die Preise: 50 bis 100 Euro pro Jahr koste das Gesamtpaket von Ablesen, Erfassen bis zum Erstellen der Rechnung den einzelnen Haushalt. Das sei angemessen. Bei Ista stünden Investitionen von rund 100 Millionen Euro pro Jahr sowie Kosten und Risiko mit der eigenen Technik in der Bilanz. Unterm Strich profitierten Mieter von einer guten Abrechnung, weil sie so auf hohe Heizkosten reagieren könnten.

Umstritten ist die Frage des Konkurrenzdrucks: Ista und Techem verweisen auf die vielen regionalen Anbieter. Ausschreibungen seien bei größeren Unternehmen die Regel, Kunden beauftragen verschiedene Anbieter für unterschiedliche Immobilien, um Service und Preise vergleichen zu können. Zudem hätten Vermieter Interesse an niedrigen Mietnebenkosten - schon, weil sie an weniger begehrten Standorten sonst Abstriche bei der Kaltmiete machen müssten, so Zinnöcker.

Verbraucherschützer Sieverding hält die Argumente für Ablenkungsmanöver. In Broschüren für Investoren zeigten die Firmen ihr wahres Gesicht: Dort werde mit üppigen Renditen und einer gesicherten Marktmacht geworben, sagt er. Ista mit über 5000 Mitarbeitern und Techem mit rund 3500 Beschäftigten gehören großen Fonds und stehen laut Branchenkreisen zum Verkauf.

Besonders ärgert die Verbraucherschützer, dass die Firmen bei Funkablesegeräten je eigene technische Standards entwickelt haben, die nur begrenzt kompatibel sind. Auf Vermieter, die den Ablesedienst wechseln wollen, kommen damit Zusatzkosten zu.

Dadurch werde Konkurrenz zusätzlich erschwert, sagt Ropertz. Möglicherweise werde das Kartellamt an dieser Stelle »hereingrätschen«, sagt er, und kompatible Systeme vorschreiben. »Nur so ist Wettbewerb doch überhaupt möglich.« dpa/nd

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