Besser wohnen für Niedrigverdiener

Mieterinitiativen kritisieren Eckpunktepapier des Senats für Wohnungen, die aus dem sozialen Wohnungsbau herausfallen

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Schutz von Mietern von Sozialwohnungen vor Verdrängung ist eines der zentralen Vorhaben des rot-rot-grünen Senats. Dazu hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen ein Eckpunktepapier entwickelt, das als Grundlage für einen entsprechenden Gesetzentwurf dienen soll. Durch eine sogenannte Richtsatzmiete, die anhand von Parametern wie Haushaltseinkommen, Grenzwerten für Wohnberechtigungsscheine (WBS) entwickelt werden soll, können einkommensarme Mieter in den rund 130 000 Sozialwohnungen vor Verdrängung geschützt werden. Ein entsprechendes Gesetz soll am 1. April 2018 in Kraft treten. Davor sollen bereits vorläufige Regelungen gültig werden.

Der Vorschlag sieht vor, in WBS- sowie ehemaligen WBS-Wohnungen Mietobergrenzen in fünf Stufen zu differenzieren. Menschen, die weniger als 75 Prozent dessen verdienen, was maximal möglich ist, um in die Gunst zu kommen, einen WBS zu erhalten, sollen künftig maximal 5,25 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter zahlen (Stufe 1). Bei einem schlechten energetischen Zustand des Gebäudes sollen sie bis zu 50 Cent weniger zahlen. Für Personen mit einem Einkommen von 90 bis 110 Prozent der Höchstgrenze soll die Miete 5,75 Euro pro Quadratmeter betragen (Stufe 3). Doch wer ein Einkommen hat, das mehr als 140 Prozent der WBS-Grenze beträgt (Stufe 5), soll künftig sieben Euro pro Quadratmeter zahlen - mehr, als aktuell im sozialen Wohnungsbau verlangt wird. Bei Ein-Personen-Haushalten trifft das ab einem Bruttoeinkommen von etwa 23 000 Euro im Jahr zu, bei Zwei-Personen-Haushalten läge die Grenze bei gut 35 000 Euro. Für die Mieterinitiative Kotti & Co sind die bislang vorliegenden Pläne des Senats unzureichend. Mehr noch: Der bislang bekannte Entwurf sei »abgrundtief unsozial«, heißt es in einer aktuellen Erklärung von Kotti & Co.

»Wenn dieser Entwurf umgesetzt wird, werden die Mieten für viele Mieter im sozialen Wohnungsbau steigen, nicht sinken«, kritisiert Sprecher Matthias Clausen auf nd-Anfrage. Zwar gebe es für Hartz-IV-Bezieher einen gewissen Schutz, doch im Kern bedeute das von der Senatsverwaltung vorgeschlagene Stufenmodell zur Mietbegrenzung »eine Umverteilung zwischen absolut und relativ armen Mietern«. Als weiteren Kardinalfehler des Entwurfs sieht Clausen das geplante Prozedere. Mieter müssten ein »kompliziertes und bürokratisches Antragsverfahren absolvieren, was nach allen vergleichbaren Erfahrungen für viele Betroffene eine zu große Hürde ist«.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung räumt auf nd-Anfrage ein, dass es »in Einzelfällen zu einer Mieterhöhung für besser verdienende Haushalte kommen könnte«. Das Richtsatzmietensystem mit ergänzenden Mietzuschüssen sei aber so ausgelegt, »dass kein Haushalt bezogen auf sein verfügbares Einkommen überfordert wird und Härtefälle berücksichtigt werden«, sagt Sprecherin Katrin Dietl. Auch das aufwendige Antragsverfahren für die Mietzuschüsse sei »unerlässlich, um rechtssicher eine staatliche Leistung zu gewähren«.

Doch Kotti & Co und anderen Mieterinitiativen geht es nicht nur um die Details des geplanten Richtsatzmietengesetzes. Es fehle offenbar »auch der politische Wille, wirklich die Eigentumsfrage zu stellen, und die Rekommunalisierung des sozialen Wohnungsbaus anzugehen«, kritisiert Clausen.

Deshalb haben mehrere Mieterinitiativen einen Gegenentwurf zum Eckpunktepapier des Senats vorgelegt. Im »Berliner Modell« ist unter anderem vorgesehen, die Einkommenssituation aller Mieter des sozialen Wohnungsbaus zu erfassen, um eine Warmmietenbelastung von über 30 Prozent des Haushaltseinkommens auszuschließen. Zudem sollen die im komplizierten Finanzierungsgeflecht des sozialen Wohnungsbaus anfallenden Aufwendungserstattungen für die Hausbesitzer von den Mieteinnahmen getrennt werden, um zusätzliche Gewinne auszuschließen. Derartige Vorschläge wurden erstmals auf einer Konferenz zum sozialen Wohnungsbau im November 2012 sowie beim Gesetzentwurf für den Mietenvolksentscheid entwickelt.

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