Energiewende mit oder ohne Trump

Gerd Rosenkranz fragt sich, ob Europa beim Klimaschutz gemeinsam mit dem US-Präsidenten den Anschluss verpassen will

  • Gerd Rosenkranz
  • Lesedauer: 3 Min.

Die rassistisch grundierte Abschottung gegenüber Andersgläubigen stoppten vorerst die US-Gerichte, die Rückführung der Gesundheitsvorsorge der Vereinigten Staaten auf das Niveau eines Entwicklungslandes die zentrifugalen Kräfte im eigenen politischen Lager. Nun geht US-Präsident Donald Trump in den Frontalangriff gegen die Klimaschutzpolitik seines Amtsvorgängers über. Das ist so wenig überraschend wie erträglich und nur der erneute Versuch, Wahlkampf-Demagogie in die Tat umzusetzen.

Allerdings hat dieser Amoklauf gleich zwei global bedeutsame Seiten: Die eine betrifft die realen Folgen für die ohnehin schwindende Hoffnung auf eine rechtzeitige und für Mensch und Natur erträgliche Bändigung der globalen Fieberkurve. Dazu ist im Grunde mit dem weltweit verheerenden Echo auf das neue Dekret alles gesagt: Wenn sich das Land mit den historisch größten Treibhausgasemissionen, das immer noch etwa 15 Prozent zur jährlichen Verschärfung des Problems beisteuert, mit großem Tamtam aus der Verantwortung verabschiedet, kann dies nicht ohne Folgen bleiben, auch jenseits der Physik. Denn der Vorgang entlastet all jene Regierungen, die in der näheren Zukunft Probleme bei der Umsetzung der in Paris gefassten Beschlüsse haben werden. Ihnen allen bleibt nun der schlanke Hinweis auf die immer noch reiche einstige Führungsmacht, um jeden Vorwurf gegen die eigene Untätigkeit zu kontern.

Zur Person

Gerd Rosenkranz arbeitet für die Denkfabrik Agora Energiewende und ist Autor.

Die andere Seite betrifft eine Konsequenz, die möglicherweise über die unmittelbaren physikalischen Folgen einer Renaissance des Kohlezeitalters in den USA hinausreicht. Sie betrifft Europa und Deutschland, die in der Welt immer noch einen exzellenten Ruf genießen, wenn es um realen Klimaschutz geht. Nicht zufällig ist das deutsche Wort »Energiewende« in den angelsächsischen Sprachgebrauch eingegangen wie zuvor nur »Kindergarten« oder »Blitzkrieg«. Am Erfolg oder Misserfolg der deutschen Energiewende hängt die für das Weltklima vielleicht entscheidende Frage: Wer schlägt wie entschlossen denselben Weg ein?

Trumps kraftmeierische Abkehr vom Pfad der Dekarbonisierung bedeutet, unabhängig von ihrer durchaus umstrittenen realen Wirksamkeit in den USA, dass sich hierzulande niemand mehr wirklich anstrengen muss, wenn es ums rasche Erreichen der Energiewende geht. Es genügt nun eine Rhetorik, die sich demonstrativ abhebt von der dümmlichen Ignoranz jenseits des Atlantiks. Schon sind aus dem Lager der Großen Koalition die ersten Stimmen zu hören, die besorgt mahnen, man dürfe es hierzulande nicht übertreiben mit dem Klimaschutz. Und ein Wahlkampf kündigt sich an, in dem nicht nur Trump-Apologeten gegen Erneuerbare Energien und realen Klimaschutz Stimmung machen.

Der Kampf gegen Windmühlen im Saarland war da nur eine Art Versuchsballon, der auch unter Großkoalitionären in Berlin mit Interesse und nicht ohne Wohlwollen beobachtet wurde. Die einen wollen einfach der Anti-Klimaschutz-Partei AfD kein Futter geben, die anderen fürchten die Aufmärsche der Braunkohlelobby vor dem SPD-geführten Wirtschaftsministerium – oder vor der Staatskanzlei in Düsseldorf. Das Ergebnis lässt sich erahnen: In einer Zeit, in der die Energiewende in zentralen Sektoren wie dem Mobilitätsbereich chronisch auf der Stelle tritt, die nationale Treibhausgaslast seit Jahren nicht mehr sinkt und der Zubau Erneuerbarer Energien sich von den klimapolitischen Notwendigkeiten abkoppelt, reizt es die Wahlstrategen in manchen Parteizentralen mehr, die »Verspargelung der Landschaft« zu thematisieren als die Klimaschutzbeschlüsse von Paris oder Jahrhundertfluten im Fünf-Jahres-Rhythmus. Dass dieser Mechanismus funktioniert, kann jeder, der will, bereits an den aktuellen Wahlumfragen ablesen. Eine wachsende Sorge ums Weltklima jedenfalls bricht sich da nicht Bahn.

Abschließend noch ein Hinweis an die heimischen heimlichen Trumpisten, die Ökologie, Klimaschutz und Verantwortung für künftige Generationen wie der US-Präsident für Kokolores und verschärftes Gutmenschentum halten: Freut Euch nicht zu früh. Die globale Energiewende kommt nicht wegen des Klimawandels. Sie kommt, weil sie sich in immer mehr Weltregionen rechnet. In China, Indien, Teilen Afrikas, Süd- und Mittelamerikas hat man das gelernt. Vor allem von Deutschland. Die Zukunftsfrage lautet: Dabei sein oder gemeinsam mit den USA den Anschluss verpassen?

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