Beobachter im besetzten Palästina

»Zivile Delegation« aus verschiedenen Ländern wollte gewaltfrei protestieren

  • Peter Schäfer, Ramallah
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Palästinenser fordern seit langem die Stationierung internationaler Beobachter in den von Israel besetzten Gebieten. Israel lehnt das ab. Friedensgruppen aus Europa und den USA setzen die Forderung nun auf eigene Faust um.
Wir sind hier, um gewaltfrei gegen die israelische Besatzung zu protestieren«, sagt Francois Weiser. Der 33-jährige Franzose gehört zu einer 200-köpfigen internationalen »Zivilen Delegation zum Schutz der palästinensischen Bevölkerung«, die derzeit Israel und die besetzten Palästinensergebiete besucht. Ihr Programm wird von palästinensischen Nichtregierungsgruppen organisiert. »Wir wollen den Palästinensern zeigen, dass Widerstand auch gewaltfrei möglich ist«, betont Weiser. »Ich lehne den bewaffneten Kampf ab. Israel hat eine der stärksten Armeen, die mit den Palästinensern umgeht, wie sie will. Da müssen andere Protestformen gefunden werden.«
Für Silvester planten die Gäste zusammen mit israelischen und palästinensischen Friedensgruppen eine Menschenkette um die Jerusalemer Altstadt. »Israel behauptet, dass Angehörige aller Konfessionen freien Zugang zu ihren heiligen Stätten haben«, sagt Weiser. »Aber das stimmt nicht. Palästinensische Christen und Muslime dürfen nicht nach Jerusalem.« Deshalb musste die Menschenkette ausfallen. Der gemeinsame Marsch zusammen mit palästinensischen Friedensgruppen und religiösen Würdenträgern endete am israelischen Kontrollpunkt zwischen Bethlehem und Jerusalem. »Die Soldaten sagen, dass die Palästinenser ein Sicherheitsrisiko darstellen und deshalb nicht nach Jerusalem dürfen«, so Weiser. »Sie haben sogar zwei Scharfschützen positioniert.« Ohne eine palästinensische Beteiligung sei die Menschenkette jedoch sinnlos. »Für die machen wir das doch schließlich.«
Die ausländischen Delegationen wollen in erster Linie ihre Beobachtungen dokumentieren. »Wir haben verschiedene Orte besucht und viele Menschenrechtsverletzungen gesehen«, berichtet Weiser. »Diese Informationen werden wir unseren Politikern zu Hause zugänglich machen und so die Notwendigkeit internationalen Drucks auf Israel zur Räumung der besetzten Gebiete unterstreichen.«
»Der Konflikt hier ist doch von aller Welt vergessen«, sagt Clemens Glismann aus Berlin. Der 32-Jährige gehörte zu einer Delegation aus Österreich. »In Deutschland solidarisieren sich sogar viele Linke blind mit der israelischen Besatzungsmacht.« Glismann empfiehlt einen Besuch vor Ort. »Alle sollten sehen, welche Folgen die jahrzehntelange Besatzung wirklich für Palästinenser hat. Davon kriegt man bei uns zu Hause doch kaum was mit.«
Nahid Rischmawi (29) aus Bethlehem äußert sich vor der geschlossenen Reihe israelischer Soldaten enttäuscht. »Ich dachte wirklich, ich komme heute mit Hilfe der Ausländer nach Jerusalem.« Um den Zugang zur Grabeskirche ging es ihr dabei nicht, sie wollte »einfach mal wieder aus Bethlehem raus und Freunde in Jerusalem sehen«. Sie findet, die Internationale Delegation hätte die Soldaten beiseite drängen sollen. »Denen würde doch nichts passieren.« Die Intifada ist tot, weil sich die Bevölkerung nicht mehr beteiligt, meint die Palästinenserin. »Ich lehne den bewaffneten Widerstand gegen Israel auch ab. Aber die Soldaten haben schon auf friedliche Sitzblockaden geschossen.« Sie gehe jetzt nur noch zu »Ausländerdemonstrationen, weil mir da nichts passiert«. Nahids Freundin Lubna Barguti ist guter Laune. »Als ich heute morgen die Nachricht von den sechs erschossenen Palästinensern im Gazastreifen gelesen habe, war ich frustriert«, bekennt die 26-Jährige am Rande der Demonstration. »Jetzt sehe ich, dass es Leute von außerhalb gibt, die sich für unser Schicksal interessieren. Das gibt mir Hoffnung.«
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