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Griechenland soll erneut Renten kürzen

Athen und Euro-Finanzminister im Grundsatz einig über weitere Reformen und Einschnitte

  • Guido Speckmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Jeroen Dijsselbloem weiß doch noch mit etwas anderem als mit »Schnaps-und-Frauen-Sprüchen« oder der Weigerung, vor dem Europaparlament zu erscheinen, Schlagzeilen zu machen: Am Freitag teilte der Eurogruppen-Chef bei einem Treffen der Euro-Finanzminister in Malta mit, dass sich die Regierung in Athen und ihre Gläubiger auf zusätzliche Reformen für die Jahre 2019 und 2020 geeinigt hätten: »Die großen Brocken sind jetzt geklärt.«

Nach wochenlangem Stillstand im Tauziehen um weitere Auszahlungen von Krediten aus dem dritten sogenannten Hilfsprogramm für das verschuldete Griechenland gibt es nun wieder Bewegung. Die Vertreter der Gläubigerinstitutionen - vormals Troika - können Dijsselbloem zufolge in Kürze nach Athen zurückkehren, um »so schnell wie möglich« eine abschließende Vereinbarung auszuhandeln. Die von der linken SYRIZA geführte griechische Regierung hofft auf eine baldige Auszahlung weiterer Kredittranchen aus dem 2015 von der EU-Kommission, dem Euro-Rettungsschirm ESM, der Europäischen Zentralbank und dem Internationale Währungsfonds zugesagten dritten Kreditprogramm. Im Juli muss Griechenland 7,4 Milliarden Euro Schulden zurückzahlen, im August noch einmal 1,4 Milliarden. Ohne neue Kredite ist das wohl unmöglich - auch wenn in Athen das Gerücht umgeht, die Regierung horte bereits Rücklagen, indem der Staat Außenstände nicht rechtzeitig begleiche.

Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras, einst angetreten, um Schluss mit der neoliberalen Austeritätspolitik zu machen, muss im Gegenzug für die Auszahlung jedoch erneut weitere Austeritätsmaßnahmen akzeptieren. Demnach verpflichte sich Griechenland, die Haushaltslage um ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu verbessern. Dies soll vor allem mit weiteren Rentenkürzungen erreicht werden. Betroffen wären erneut die bis zu 700 000 griechischen Rentner. Für das Jahr 2020 sei ein weiteres Prozent vorgesehen, das über die Einkommensteuer erzielt werden solle. Insgesamt geht es um eine Summe von 3,6 Milliarden pro Jahr.

Bereits im Februar hatte Athen grundsätzlich zusätzliche Sparmaßnahmen akzeptiert, die beim Verfehlen von Haushaltszielen greifen sollten. Über die genauen Schritte war aber seitdem gestritten worden. Der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos kündigte am Freitag an, die Sparmaßnahmen möglichst bald im Parlament zur Abstimmung zu stellen. Gleichzeitig forderte er »vor dem Sommer« eine Einigung über Schuldenerleichterungen für sein Land.

Der Grünen-Europaabgeordneter Sven Giegold kritisierte, IWF und Eurogruppe hätten erneut Kürzungen bei den Ärmsten durchgedrückt, statt endlich den Sumpf des Klientelismus im griechischen Staatsapparat trockenzulegen. So erhielten 40 Prozent der griechischen Rentner weniger als 660 Euro im Monat. Rentenkürzungen und geringerer Grundfreibetrag der Einkommensteuer treffen Giegold zufolge erneut die Falschen. »So bringt man Menschen gegen Europa auf.« Griechenland brauche keine neue Austerität, sondern Hilfen.

Griechenland leidet weiterhin unter einer schweren Wirtschaftskrise, die vor allem eine Folge der von den Gläubigerinstitutionen geforderten harten Sparmaßnahmen und der Deregulierung des Arbeitsmarktes ist. So ist die Arbeitslosigkeit mit 23,5 Prozent immer noch mit großem Abstand die höchste in Europa. Gleichzeitig sank der Durchschnittsverdienst in Griechenland von 2009 bis 2015 um rund 17 Prozent. Die Verschuldung ist seit den Austeritätsmaßnahmen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt noch weiter gestiegen, von 148 Prozent im Jahr 2010 auf 180 Prozent im vergangenen Jahr.

Derweil würdigte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Freitag während seines Antrittsbesuchs in Athen die Reformen Athens zur Überwindung der Schuldenkrise und mahnte weitere Schritte an. Mit Agenturen

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