Die Genossen haben die Wahl

Werbetour um 60 000 Stimmen: Die Vorstandskür bei der Bayern-SPD

  • Christoph Trost, Landau an der Isar
  • Lesedauer: 4 Min.

Eines ist sicher: Dies ist die teuerste Vorstandskür in der Geschichte der Bayern-SPD. 150 000 Euro lassen sich die Sozialdemokraten die Mitgliederbefragung kosten, die gerade begonnen hat und nun bis zum 11. Mai läuft. Alle knapp 60 000 SPD-Mitglieder im Freistaat dürfen abstimmen, wer Noch-Landeschef Florian Pronold nachfolgen soll. Auf sieben Vorstellungskonferenzen haben sich die sechs Kandidaten den Mitgliedern präsentiert. Aber wer hat nun die besten Chancen - und wer ist eher Außenseiter?

Freitagabend in der Stadthalle in Landau an der Isar, grelles Scheinwerferlicht. Zum letzten Mal stehen die Kandidaten nun auf der Bühne, erst jeder allein zu einer zehnminütigen Vorstellungsrede, nachher gemeinsam, um sich Dutzenden Fragen aus dem Publikum zu stellen. Drei von ihnen sind schon Berufspolitiker, drei nicht.

Generalsekretärin NATASCHA KOHNEN ist Pronolds Wunsch-Nachfolgerin - er hatte sie vorgeschlagen. Sie gilt als Favoritin - wird aber als langjährige »Mitarbeiterin« Pronolds auch für die wenig grandiose Lage der Bayern-SPD mitverantwortlich macht. Die 49-Jährige ist die Einzige, die an diesem Abend frei spricht. »Es ist Zeit für Gerechtigkeit«, sagt sie, und dass die SPD für die Menschen »fühlbar sein« müsse. »Wir müssen eine Sprache sprechen, die die Menschen verstehen.« Kohnen erzählt von ihrem großen Ziel, aus einer jungen »Generation der Angst« eine »Generation der Zuversicht« zu machen.

Der Landtagsabgeordnete FLORIAN VON BRUNN sagt, er wolle die Bayern-SPD »wieder auf Erfolgskurs bringen«. »Wir brauchen eine Vision, die wir den Menschen wieder verständlich rüberbringen.« Und dafür brauche man »keine neuen Redewendungen, sondern einen echten Neustart«. Von Brunn fordert - anders als Kohnen - den ständigen Frontalangriff auf die regierende CSU, wirft der bisherigen Parteispitze fehlendes Selbstvertrauen vor. Man müsse »so angreifen, dass die CSU ständig unseren heißen Atem im Nacken spürt«, sagt er.

Auch der scheidende Bundestagsabgeordnete KLAUS BARTHEL fordert eine Modernisierung der Bayern-SPD. Er spricht in Landau aber vor allem, und das fundiert, über Armut und Reichtum, über Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik. Und weil ihm ab und an die Redezeit knapp wird, verweist er auf seine DinA4-Broschüre, die er draußen ausgelegt hat.

Die drei weiteren Kandidaten haben allenfalls Außenseiter-Chancen, einer noch eher als die beiden anderen: Geht man nach dem Applaus in der Halle, ist MARKUS KÄSER von der SPD-Initiative »Zeit für die Mutigen« vielleicht so etwas wie der Kandidat der Herzen. Er steht im Pulli auf der Bühne, berichtet locker von seinen Erfahrungen in der Kommunalpolitik - auch wenn nicht so richtig klar wird, wie sich das auf Bayern übertragen ließe. Käser verlangt einen kompletten Neuanfang. Der Sprecher der Münchner Tafel, GREGOR TSCHUNG, fordert vor allem einen Kampf gegen Armut im Freistaat. Der Kommunalpolitiker ULI ASCHENBRENNER aus Niederbayern sagt: »Wer will, dass die Bayern-SPD so bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt.« Die beiden wirken an dem Abend allerdings ziemlich nervös und fahrig.

Also wer wird das Rennen machen? Hört man sich in der SPD um, so gilt Kohnen nach wie vor als Favoritin. Aber nicht so klar, wie vielleicht mancher anfangs gedacht hätte - obwohl Kohnen den Großteil der Frauen hinter sich haben dürfte. Von Brunn sei der aussichtsreichste Gegenkandidat, sagt einer. Und auch Käser komme bei den Leuten an.

Das Ergebnis der Mitgliederbefragung soll am 12. Mai bekanntgegeben werden, ausgezählt von 100 Freiwilligen. Offiziell gewählt wird der oder die neue Vorsitzende aber erst auf einem Parteitag am 20. Mai.

Zwei Varianten sind denkbar: Wenn einer oder eine von den sechs bei der Mitgliederbefragung auf mehr als 50 Prozent der Stimmen kommt, muss er oder sie auf dem Parteitag eigentlich nur noch formal bestätigt werden - spontane Gegenkandidaten auf dem Parteitag hätten da keinerlei Chance. Kommt dagegen keiner auf mehr als 50 Prozent, gibt es auf dem Parteitag eine Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten. Dann würde es dort noch mal so richtig spannend. dpa/nd

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