Kung Fu-Lehrer aus Afghanistan

Viele Flüchtlinge engagieren sich mittlerweile ehrenamtlich, nicht nur als Dolmetscher sind sie vielerorts gefragt

  • Christian Thiele
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie lernen mit anderen Flüchtlingen Deutsch, begleiten sie zu Behörden oder bringen ihnen Kung Fu bei: Längst treten Geflüchtete in Thüringen als ehrenamtliche Helfer in Erscheinung. »Sie definieren es nicht als Ehrenamt, sondern sehen es als Selbstverständlichkeit an«, sagt Ellen Könneker vom Thüringer Flüchtlingsrat. Sie brächten sich dort ein, wo es an staatlichen Angeboten fehle. »Es gibt Lücken, und es wird sie immer geben.« Nach Ansicht von Könneker fehlt es etwa an Dolmetschern bei Arztbesuchen oder Behördengängen. Mittlerweile gebe es aber viele Initiativen von Flüchtlingen.

Malek Harba kam vor zehn Jahren von Syrien nach Deutschland. Er half Syrern, damit sie sich in Thüringen zurechtfinden. Ein Jahr arbeitete er an einer Sprachschule. Vor gut zwei Wochen öffnete er in Erfurt seine eigene. »Ich möchte nun auch etwas für Deutschland und Erfurt leisten«, betont der 41-Jährige. Von der Landesarbeitsagentur und den Jobcentern habe er bereits grünes Licht, dass in seiner Schule Sprachkurse stattfinden könnten. Mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sei er im Gespräch. Harba glaubt, dass er als Syrer leichteren Zugang zu seinen Landsleuten findet als deutsche Anbieter solcher Kurse. Er wolle auch Deutschen Arabisch beibringen.

Steve Richter kennt die Sorgen vieler Geflüchteter, die einen Integrationskurs besuchen möchten, aber niemanden haben, der sich in dieser Zeit um die Kinder kümmert. Nach Angaben des Geschäftsführers des Geraer Vereins Akzeptanz bietet sein Haus eine solche Betreuung an. »Vier Geflüchtete und sechs Ehrenamtliche helfen uns dabei.« 15 Kinder seien es pro Tag, die betreut werden. Die Eltern könnten sie vor der Schule vorbeibringen und hinterher wieder abholen. »Die Zahl der Plätze in Kindergärten ist begrenzt«, verweist Richter auf die Notwendigkeit solcher Angebote. »Wir wollen, dass sich die Menschen integrieren, und das geht nur mit Sprache.«

Wenn ein Umzug aus der Gemeinschaftsunterkunft in Rudolstadt ansteht, sind viele kräftige Hände gefragt. Unter dem Dach der Initiative Neue Nachbarn Rudolstadt gebe es einen Umzugsservice, berichtet Wolfhard Pröhl vom Koordinierungskreis. Zwei Syrer und zwei Afghanen seien mit dabei. Damit die Wohnungen mit Möbeln bestückt werden könnten, gebe es ein Möbellager mit gespendeten Dingen. »Wir haben auch eine Kleiderkammer«, erzählt Pröhl. Dort kümmerten sich 10 bis 15 Flüchtlinge um die gespendete Kleidung und verteilten sie.

Sieben Monate alt ist der neue Lebensmittelladen in Ilmenau, der auf den Namen Damaskus getauft wurde. Andreas Hartmann vom Netzwerk »Refugees welcome - Flüchtlinge willkommen in Ilmenau« erzählt: »Die Idee kam von Flüchtlingen selbst.« Sie hätten in den Märkten nach Dingen gesucht, die sie aus ihrer Heimat kannten. Vergeblich. »Der Laden wird auch von ausländischen Studenten und Deutschen gut angenommen«, berichtet Hartmann. »Das Konzept ist aufgegangen.« Mittlerweile seien schon drei Arbeitsplätze in dem Laden geschaffen worden. »Wir hoffen, dass er weiter ausgebaut wird.«

Ähnliche Erfahrungen werden in anderen Bundesländern gemacht. Seit September vergangenen Jahres vermittelte die Freiwilligenagentur Magdeburg beinahe 100 Flüchtlinge als Ehrenamtliche in Seniorenheime, Kitas, Jugendfreizeit-Einrichtungen und Sportvereine Sachsen-Anhalts. »Viele Flüchtlinge sind froh, wenn sie irgendwo mitmachen können«, sagt der Ausländerbeauftragte der evangelischen Kirche Sachsens, Albrecht Engelmann, in Dresden.

Auch ausgefallene Beispiele ehrenamtlicher Betätigung von Flüchtlingen gibt es immer wieder. Seit gut zwei Monaten führt ein Kung Fu-Lehrer aus Afghanistan in die chinesische Kampfkunst ein. Der Mann gibt die Kurse in Bad Blankenburg (Kreis Saalfeld-Rudolstadt). Und im Landesmuseum Heidecksburg in Rudolstadt gab es in der Vergangenheit Führungen von Flüchtlingen für Geflüchtete durch das Haus und die Ausstellungen. dpa/nd

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