400 Konzerte und ein Refo-Dorf

Ein Monat vor dem Kirchentag in der Hauptstadtregion fehlen noch 500 Besucherbetten

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir sind im Endspurt bei der Quartierssuche«, freut sich Juliane Voss vom Organisationskomitee des 36. Deutschen Evangelischen Kirchentages, der am Himmelfahrtswochenende in Berlin, Potsdam und in der Lutherstadt Wittenberg stattfinden wird. Die Organisatoren hatten Berliner und Potsdamer dazu aufgerufen, 12 000 Privatquartiere bereitzustellen. Jetzt fehlen nur noch 500. Wohnen sollen dort Kirchentagsbesucher, die nicht in Schulen und Turnhallen schlafen wollen oder können. »Das sind vorzugsweise Gäste ab 35 Jahren, internationale Gäste und Menschen mit Behinderung«, sagt Juliane Voss. »Wer Besucher des Kirchentages aufnehmen möchte, braucht kein Gästezimmer. Eine Schlafcouch im Wohnzimmer oder ein Gästebett reichen völlig aus.« Die Besucher wollen die Gastfreundschaft der Berliner und Potsdamer genießen, seien aber den ganzen Tag auf dem Kirchentag unterwegs, sagt Voss. »Sie freuen sich morgens über ein kleines Frühstück.« Der Kirchentag übernehme die Versicherung.

Die evangelische Kirche rechnet vom 24. bis 28. Mai mit deutlich mehr als 100 000 Besuchern in der Hauptstadtregion. Zum Abschlussgottesdienst in Wittenberg werden sogar bis zu 200 000 Menschen erwartet. Der Kirchentag steht in diesem Jahr im Zeichen des 500. Jahrestags der Reformation. Im Jahr 1517 hatte der Theologe Martin Luther seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel an die Tür der Wittenberger Schlosskirche geschlagen und damit die Reformation eingeleitet.

Die spektakulärste Veranstaltung ist sicher die Diskussion zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem früheren US-Präsidenten Barack Obama. Am späten Donnerstagvormittag wollen sie vor dem Brandenburger Tor über das Thema »Engagiert Demokratie gestalten - Zuhause und in der Welt Verantwortung übernehmen« sprechen. Am gleichen Tag und Ort werden um 9.30 Uhr Berlins Kultursenator Klaus Lederer (LINKE) und Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au öffentlich über die Bibel diskutieren. Lederer, der konfessionslos ist, erklärt dazu, die Bibel sei »zunächst einmal das Wort Gottes für die Christinnen und Christen. Aber auch darüber hinaus ist die Bibel natürlich wie die Tora und andere Schriften von Kirchen und Religionsgemeinschaften ein Bestandteil europäischer Kulturgeschichte.« Die Frage, was aus Bibeltexten zu lesen ist, sei damit immer »auch eine gesellschaftliche Verständigung«.

Aber auch, wem der Sinn nicht nach öffentlichen Gottesdiensten, Bibelinterpretationen und Fachgesprächen zu Bibelübersetzungen steht, wird auf dem Kirchentag interessante Veranstaltungen finden. Allein 400 Konzerte sollen Festivalatmosphäre vermitteln. Dabei sind unter anderem die Wise Guys und die Berliner Symphoniker. In der Nähe des Hauptbahnhofes soll ein Refo-Dorf Kindern den Alltag zu Luthers Zeiten vermitteln. Filmvorführungen und Ausstellungen zeitgenössischer Kunst warten auf Gäste. Ökologische Themen und Fragen des Älterwerdens stehen auf der Agenda. Der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, spricht darüber, was Religionen zum Frieden in Syrien beitragen können. Am Freitagmittag um 12 Uhr wird es auf allen Veranstaltungen eine Schweigeminute für die Toten an den europäischen Außengrenzen geben.

Umstritten ist eine Diskussionsveranstaltung zwischen Berlins Landesbischof Markus Dröge und Anette Schultner, Bundessprecherin der Arbeitsgemeinschaft Christen in der AfD. Dagegen wehren sich zahlreiche Berliner in einer Online-Petition. Mit Schultner werde eine Vertreterin einer Partei aufs Podium gehoben, »die sich nicht eindeutig und klar von nationalsozialistischem Gedankengut und antisemitischer Hetze abgrenzt«, heißt es. Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au verteidigt die Einladung. »Es ist nicht sehr christlich zu sagen, mit bestimmten Menschen reden wir nicht.«

Programm und Kontaktdaten für Quartiersgeber unter www.kirchentag.de

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal