Atomkatastrophen kennen keine Grenzen

Greenpeace-Energy-Studie warnt vor Kosten für Deutschland bei schweren Reaktorunfällen in Nachbarländern

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Für die enormen Kosten eines schweren Atomunfalls sind die Kernkraftwerke in Deutschlands Nachbarländern einer Studie zufolge nicht ausreichend versichert. Die wahrscheinlichen Kosten eines GAUs in Europa lägen bei 100 bis 430 Milliarden Euro, heißt es einer Analyse des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag des Ökoenergieanbieters Greenpeace Energy. Die international vereinbarte Haftungs- und Deckungsvorsorge sei aber meist auf dreistellige Millionenbeträge begrenzt. So würden die Kosten die Haftungsgrenzen um d as Hundert- bis Tausendfache überschreiten.

In Paris, Brüssel und Wien geschlossene Haftungsübereinkommen forderten Deckungsvorsorgen von maximal 381 Millionen Euro. Die höchsten vom Kraftwerksbetreiber vorzuhaltenden Vorsorgesummen in Belgien, den Niederlanden und der Schweiz betrügen jeweils rund eine Milliarde Euro. Zudem sei in allen europäischen Staaten außer Deutschland und der Schweiz die Haftung der Kraftwerksbetreiber begrenzt. Laut der FÖS-Studie besteht weltweit jedes Jahr eine Wahrscheinlichkeit von einem Prozent, dass ein nuklearer Unfall mit einem Schaden von mindestens 312 Milliarden Euro eintritt.

In Deutschland geht 2022 das letzte AKW vom Netz. Viele Nachbarländer setzen aber weiter auf Atomkraft. Anlagen nahe der deutschen Grenze, etwa Tihange und Doel in Belgien oder Fessenheim in Frankreich, machen immer wieder mit Problemen Schlagzeilen. »Gerade der Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl mahnt, dass die bei einem Unfall freigesetzte Strahlung vor Grenzen nicht haltmacht«, mahnte Greenpeace Energy-Vorstand Sönke Tangermann.

Am ungarischen AKW-Standort Paks, 440 Kilometer von der Grenze zu Deutschland entfernt, ist der Bau von zwei Reaktoren russischer Bauart vorgesehen. Käme es dort zu einem schweren Unfall, überstiegen dessen geschätzte Folgekosten laut dem Ökostromanbieter die von ungarischer Seite bereitgestellte Entschädigung rund um das 180-Fache.

Die Studienautoren empfehlen, die internationalen Übereinkommen schnell neu zu verhandeln, die Haftungshöchstgrenzen abzuschaffen sowie die erforderliche Deckungsvorsorge der AKW-Betreiber deutlich anzuheben. Deutschland solle ernsthaft in Erwägung ziehen, aus den Haftungsregeln auszusteigen, »um bei grenznahen Atomunfällen nicht durch völlig unrealistische Haftungshöchstgrenzen daran gehindert zu sein, die entstandenen Schäden bei den Verursachern geltend machen zu können«, empfahl Tangermann. nd/Agenturen Kommentar Seite 4

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